Neuseeland zu Beginn der 1960er-Jahre: Das Familienoberhaupt Tamihana Mahana herrscht wie ein Patriarch über seinen Clan, der in ständigem Streit mit dem Poata-Clan liegt. Als Schafscherer im Dienst weißer Farmer haben es die Māori-Familien zu Wohlstand gebracht. Nur der 14-jährige Simeon wagt es, die Autorität seines traditionsbewussten Großvaters anzuzweifeln. Er provoziert Tamihana nicht nur mit unbequemen Fragen, sondern auch mit seiner Frisur und erst recht, als er sich in die gleichaltrige Poppy Poata verliebt. Eines Tages findet Simeon im Zimmer seiner Großmutter Ramona ein altes Foto und kommt so einem Geheimnis auf die Spur, das beide Familien seit Jahrzehnten hartnäckig totschweigen.
Der neuseeländische Regisseur Lee Tamahori hat einen autobiografisch geprägten Roman seines Landsmanns Witi Ihimaera
adaptiert, der auch die Vorlage zu dem Māori-Filmepos
Whale Rider (2002) geschrieben hat. Das geradlinige Familiendrama etabliert mit einem überschaubaren Figurenarsenal die zentralen Konflikte zwischen den Generationen und zwischen Tradition und Moderne in klar überschaubaren Episoden. Eingebettet in imposante
Panoramaaufnahmen der grünen Hügel der Nordinsel entfaltet der Film, dessen narrative Struktur an
Western-Filme erinnert, mit seiner warmen
Farbgebung eine nostalgische Atmosphäre. Diese manifestiert sich besonders in einer
Rückblende, in der die Kamera in einer
Kreisbewegung das große Familiengeheimnis enthüllt.
Mahana – Eine Maori-Saga, Trailer (© Prokino Filmverleih)
Das Drama liefert viele Ansatzpunkte, um im Unterricht über die Diskriminierung von indigenen Minderheiten zu diskutieren. Warum etwa dürfen die Māori vor Gericht nicht ihre eigene Sprache sprechen? In welchen weiteren gesellschaftlichen Bereichen wird ihre Unterdrückung im Film spürbar? Die patriarchalische Clan-Struktur der Māoris wirft die Frage auf, inwieweit solche Normen in modernen Gesellschaften fortwirken können oder sollen. Simeon, der wie ein biblischer Prophet heißt, spielt in seiner Funktion als Aufklärer bei der Versöhnung der rivalisierenden Familienverbände eine Schlüsselrolle. Hier bietet sich eine Figurenanalyse an, wobei auch hinterfragt werden kann, inwiefern er mit seinem Verhalten seinem Namen gerecht wird. Zudem bietet sich die Romanverfilmung für einen vertiefenden Vergleich mit elementaren literarischen Motiven an – vom verlorenen Sohn in der Bibel bis zum Shakespeare-Klassiker "Romeo und Julia".
Autor/in: Reinhard Kleber, 30.08.2016
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