Musik ist Sünde – so sehen das zumindest radikale Islamisten in Mali, die im Norden weite Teile des Landes beherrschen. Tanz und weltliche Musik sind verboten, Instrumente werden zerstört, Musiker/-innen bedroht. Der Dokumentarfilm
Mali Blues stellt vier Musiker vor, die exemplarisch für wichtige musikalische Strömungen in Mali stehen und sich gegen einen militanten Islam wenden. Die Songwriterin Fatoumata Diawara, die lange in Frankreich lebte, behandelt in ihren Balladen oft die Lage der Frauen. Der traditionsbewusste Griot Bassekou Kouyaté spielt mit seinem elektrisch verstärkten Saiteninstrument Ngoni vor allem für Reiche. Dagegen prangert der junge Rapper Master Soumy soziale und politische Misstände an. Der virtuose Tuareg-Gitarrist Ahmed Ag Kaedi ist vor den Dschihadisten in die Hauptstadt Bamako geflohen und vermisst die Heimat in Nordmali.
Collagenartig verknüpft Regisseur Lutz Gregor in einer gemächlichen
Montage Konzertausschnitte, Statements und Gruppengespräche der Musiker mit Reiseaufnahmen und Impressionen ihres Alltags, die oft mit
Liedern der Musiker unterlegt sind. Während sich die vier Hauptprotagonisten auf Französisch verständigen, singen sie meist in ihren afrikanischen Muttersprachen – ein Symbol für die friedliche Koexistenz von 300 Ethnien in Mali. Gemeinsam ist den Musikern die Ablehnung eines fundamentalistischen Islam. Vor allem bei einem gemeinsamen Bühnenauftritt beim "Festival sur le Niger" in Ségou demonstrieren sie, dass sie sich auch von Terroranschlägen nicht einschüchtern lassen und öffentlich für Frieden und Toleranz eintreten.
Mali Blues, Trailer (© Real Fiction)
Im Musikunterricht kann der Film als Ausgangspunkt für die Frage stehen, warum Mali als Wiege des Blues und Hort der Weltmusik gilt.
Mali Blues thematisiert facettenreich die gesellschaftliche Verantwortung von Afropop-Stars, deren Äußerungen gerade in der jungen Generation Gewicht haben. Hier bietet es sich an, eine These Kouyatés zu diskutieren: "Wir Musiker haben Stimmen, die stärker sind als Waffen." Stimmt das? Das Lied "Explique ton islam" (Erklär deinen Islam) von Master Soumy, der von muslimischen Extremisten Rechenschaft für ihre Untaten im Namen des Islam fordert, liefert Denkanstöße, um nach den Gründen für die Ausbreitung des Islamismus in Westafrika zu fragen und über erfolgversprechende Formen des Widerstands nachzudenken. Weiterführend bietet sich zudem eine allgemeine Beschäftigung mit Protestliedern aus verschiedenen Ländern und Epochen an.
Autor/in: Reinhard Kleber, 28.09.2016
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