"Port Authority Bus Terminal" heißt der große New Yorker Busbahnhof (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set), an dem Paul in den Big Apple gespült wird. Der 20-Jährige aus Pittsburgh wartet dort vergeblich auf seine Halbschwester Sara, bei der er unterkommen will. Doch Sara erscheint nicht. Und so fährt der mittellose Herumtreiber ziellos in der U-Bahn durch die Nacht. Dort trifft er den umtriebigen Lee, der ihn gegen zwei Schläger verteidigt und ihm einen Schlafplatz sowie einen Job als Zwangsräumer verschafft. Wenig später lernt Paul die junge Wye kennen, die ihm schon am Busbahnhof beim expressiven Vogue-Tanzen aufgefallen war, und verliebt sich in sie. Wye stellt Paul ihre Schwarze, queere Wahlfamilie vor, die als "House" zusammenlebt und bei Tanz-Wettbewerben, sogenannten "Balls“, antritt. Zunächst stehen sich die Wohngemeinschaft und Paul, der schweigsame weiße Einzelgänger, distanziert gegenüber, nach einiger Zeit aber scheinen sich beide Seiten anzunähern. Doch als Paul realisiert, dass Wye eine Transfrau ist, zweifelt er erschüttert an seiner sexuellen Identität. Gesteigert wird seine Verunsicherung noch durch die Bekanntschaft mit Lee und dessen Freunden, die sich zusehends als gewalttätig und homophob entpuppen. Und so verstrickt sich Paul immer tiefer in ein auf Lügen gebautes Doppelleben.

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Mit ihrem unter anderem von Martin Scorsese produzierten Kinoerstling ist der Autorin und Regisseurin (Glossar: Zum Inhalt: Drehbuch und Zum Inhalt: Regie) Danielle Lessovitz ein Indie-Kleinod gelungen, das mit unaufdringlichen Mitteln wie einer gemäßigt geführten Handkamera (Glossar: Zum Inhalt: Kamerabewegungen), einer klaren Zum Inhalt: Bildkomposition und ruhiger Zum Inhalt: Montage arbeitet. Die kalt-grauen Bilder (Glossar: Zum Inhalt: Farbgestaltung) der Metropole New York mit all ihren Härten – von prekären Lebensumständen bis hin zu Gewalt – bilden dabei einen Kontrast zur behaglichen Atmosphäre in Wyes Wohngemeinschaft, deren Funktion als Zufluchtsort sich auch in der warmen Zum Inhalt: Lichtgestaltung ausdrückt. Dicht an der Seite des Protagonisten Paul, der als beobachtender Außenstehender auftritt, entdeckt das Publikum die queere und mehrheitlich von People of Color bevölkerte New Yorker Ballroom-Szene sowie den in den 1970ern in Harlem entstandenen Vogue-Tanzstil. Lessovitz inszeniert (Glossar: Zum Inhalt: Mise-en-Scène/Inszenierung) die auf Paul fokussierte Geschichte mit viel Fingerspitzengefühl für das geschilderte Milieu und mit einem dokumentarischen Anschein (Glossar: Zum Inhalt: Dokumentarfilm), wenn die Kamera den Figuren folgt und nah an ihre Gesichter heranrückt (Glossar: Zum Inhalt: Einstellungsgrößen). Der aus Zum Filmarchiv: "Dunkirk" bekannte Fionn Whitehead und die Schauspielerin und Tänzerin Leyna Bloom entwerfen einnehmende Charakterporträts, die wie aus dem Leben gegriffen wirken.

Die Hauptfigur Paul bietet in den Fächern Englisch oder Deutsch eine Figurenanalyse an, die auch auf die offenen Stellen seines Werdegangs schauen kann. Als Paul zu Beginn des Films aus dem Fernbus steigt, zeugt eine Schramme in seinem Gesicht von Problemen. Später erfahren wir von einer Bewährungsstrafe – die Hintergründe bleiben aber ebenso unklar wie seine familiäre Situation. Es sind die Zufallsbekanntschaften Wye und Lee, die Pauls Handeln fortan bestimmen. Beide repräsentieren gegensätzliche Lebensweisen, zwischen denen der nach Zugehörigkeit suchende Paul schwankt. "Fuck family", tönt der rüpelhafte Lee, wohingegen Wye in ihrer selbstgewählten Ballroom-Familie Halt findet. Als Paul von Wyes Transsexualität erfährt, stellt das seine eigene sexuelle Identität in Frage: "Ich will nicht sein, was ich nicht bin", sagt er etwas hilflos, bevor er schließlich seine Gefühle für Wye akzeptiert. Hieran lässt sich im Unterricht ein Gespräch über unterschiedliche Sexualitäten, Geschlechterkonstruktionen und die Genderdiskussion anknüpfen. Darüber hinaus kann der auch als Voguing bezeichnete Tanzstil als identitätsstiftende Ausdrucksform besprochen werden. Was zeichnet ihn aus, was verbindet die Queer-Community damit?

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