Los Angeles im Jahr 2019: Wer es sich finanziell leisten kann, hat den verschmutzten Planeten Erde verlassen und lebt in Weltraumkolonien. So genannte Replikanten, Roboter mit künstlicher Intelligenz in Menschengestalt, werden dort als tatkräftige Arbeitssklaven eingesetzt. Eines Tages fliehen fünf dieser Replikanten auf die Erde und der Kopfgeldjäger Rick Deckard wird angeheuert, um sie "in den Ruhestand zu versetzen" – eine euphemistische Bezeichnung für deren Zerstörung. Je näher Deckard jedoch den Replikanten kommt, desto mehr wachsen in ihm Zweifel, ob er selbst ein Mensch ist.
Mit der Romanvorlage "Träumen Androiden von elektrischen Schafen?" (1968) von Philip K. Dick hat der wegweisende
Science-Fiction-Film nur noch wenige Handlungs- und Dialogfragmente gemeinsam. Stattdessen übersetzt Ridley Scott die Geschichte in düstere, überaus atmosphärische Bilder, die insbesondere den Großstadtmoloch Los Angeles durch ein ausgefeiltes Szenenbild greifbar und real wirken lassen und die die Ikonografie des Cyberpunk-Subgenres maßgeblich geprägt haben. Dabei folgt
Blade Runner dem Stil des
Film noir sowohl visuell durch das Spiel mit Licht und Schatten als auch narrativ. Deckard ist ein zweifelnder, gebrochener Antiheld, der kaum als Vorbild taugt. Vermittelt die Kinofassung von 1982 noch durch einen Voice-Over-Kommentar einen direkten Einblick in seine Gedanken, so fehlt dieser im so genannten, vom Verleih beauftragten Director's Cut von 1991 ebenso wie das ursprüngliche optimistische Ende.
Vor allem aus dem dystopischen Setting und der Gegenüberstellung von Mensch und Maschine entwickelt
Blade Runner zahlreiche ethisch-philosophische Themen. So werden nicht nur die Lebensbedingungen auf einer zerstörten und überbevölkerten Erde angerissen, sondern auch deren soziale Folgen. In den Mittelpunkt rückt jedoch die Frage, was Menschen auszeichnet, was Menschlichkeit bedeutet und welche Rolle Individualität spielt, wobei in diesem Zusammenhang auch das im Film wiederkehrende Augenmotiv interpretiert werden kann. Dabei führt der Film die Sinnsuche seiner Protagonisten/innen zuweilen bis ins Religiöse, etwa wenn er einen Replikanten als verlorenen Sohn seinem Schöpfer gegenüber treten und ihn um ein längeres Leben bitten lässt. So perfekt sind diese Maschinen, dass sie sich sogar vor dem Tod fürchten. Und die Rolle von Gott hat ein Gentechniker eingenommen.
Autor/in: Stefan Stiletto (Text vom 01.06.2015), 13.07.2022
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