Als Kind floh Gregor Hecker mit seinen politisch engagierten Eltern vor den Nazis in die Sowjetunion. Als Leutnant der Roten Armee kehrt der 19-Jährige in den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs nach Deutschland zurück. Er versucht in einer Aufklärungseinheit, deutsche Soldaten zum Aufgeben zu bewegen und dient einem hochrangigen Offizier als Übersetzer. Bei seinen Begegnungen mit den einstigen Landsleuten trifft er Verblendete und Kriegsmüde, Verängstigte und Hoffnungsvolle und lernt die verschiedenen Seiten der ihm fremd gewordenen Heimat kennen.
Konrad Wolf schuf mit seinem autobiografisch gefärbten
Schwarz-Weiß-Antikriegsfilm einen Klassiker des DDR-Kinos. Das Persönliche der Erinnerungen seines Alter Egos Gregor wird durch den Off-Kommentar des jungen Helden betont und die bleibende Lebendigkeit der Kriegserfahrungen durch den häufigen Einsatz der
Handkamera. Mit der episodischen Erzählstruktur, die stellenweise an den italienischen Neorealismus der Nachkriegszeit erinnert, unterstreichen Wolf und sein
Ko-Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase die Zufälligkeit der Ereignisse: Der Held geht dorthin, wohin ihn der Krieg verschlägt, und die Eindrücke, die er gewinnt, sind durch persönliche Begegnungen geprägt.
Die im Titel anklingende Unreife des Helden wird von Konrad Wolf in einen Vorteil umgemünzt. Gregor Hecker ist weniger Handelnder als aufmerksamer Beobachter. Er versucht zu begreifen, wie es zu den Gräueltaten der Nationalsozialisten kommen konnte, die im Film durch
einmontierte Szenen aus dem DEFA-Dokumentarfilm
Todeslager Sachsenhausen (Richard Brandt, Deutschland 1946) verdeutlicht werden. Im Geschichtsunterricht lässt sich diskutieren, ob die im Film angebotenen Erklärungsversuche – deutscher Untertanengeist, preußisches Pflichtgefühl, verblendeter Fanatismus – aus heutiger Sicht ausreichen. Lohnend ist zudem, die russische Offensive kurz vor Kriegsende und die deutsche Kapitulation im Unterricht nachzuvollziehen und nach der Bedeutung des Films in der DDR zu fragen. Hier bietet sich ein Vergleich in Bezug auf die Resonanz an, die weitere Antikriegsfilme wie Bernhard Wickis
Die Brücke (BRD 1959) etwa zur selben Zeit in der Bundesrepublik Deutschland erfuhren. Zudem lässt sich diskutieren, inwiefern die Genre-Unterscheidung zwischen Kriegsfilm und Antikriegsfilm sinnvoll ist.
Autor/in: Michael Kohler, 17.06.2015
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