Bildungsrelevant, weil der Film zum Nachdenken über Selbstfindung, Zugehörigkeit, innere Konflikte und vielschichtige Identitäten anregt.

Die Geschichte: Jung, lesbisch, gläubig

Fatima ist 17, wohnt mit ihrer liebevollen französisch-algerischen Familie in einem Vorort von Paris und steht kurz vor dem Schulabschluss. Halt und Ruhe findet sie beim Kicken allein auf dem Fußballplatz und in ihrem muslimischen Glauben mit seinen alltäglichen Ritualen. Doch Fatima trägt ein Geheimnis in sich, das ihr die Luft abschnürt – in Form von Asthmaanfällen manchmal sogar buchstäblich. Fatima ist lesbisch. Das weiß sie, auch wenn sie es noch nicht aussprechen kann. Auf Dating-Apps verabredet sie sich heimlich mit älteren Frauen und verliebt sich schließlich in die Krankenpflegerin Ji-Na. Fatima beginnt ein Philosophie-Studium in der Innenstadt und lernt offen queere Menschen kennen. Über ein Jahr – von Frühling zu Frühling – begleitet sie der Film auf der Suche nach sich selbst.

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Filmische Umsetzung: Nähe und Distanz

Regisseurin Hafsia Herzi adaptiert mit "Die jüngste Tochter "den gleichnamigen autofiktionalen Roman der Schriftstellerin Fatima Daas. Genau wie deren Erzählung aus der Ich-Perspektive bleibt der Film nah an seiner Hauptfigur: Fatima, gespielt von der Laiendarstellerin Nadia Melliti, ist in beinahe jeder Zum Inhalt: Einstellung zu sehen, in Groß- oder Nahaufnahmen (Glossar: Zum Inhalt: Einstellungsgrößen). Oft wird die eher schweigsame Fatima in Situationen des Zuhörens oder der Stille gezeigt, ihre Gedanken lassen sich nur erahnen. Dadurch entsteht ein Gefühl der Distanz zu ihrer Figur, das viel Raum für Uneindeutiges und Unausgesprochenes lässt. Immer wieder ist auch zu sehen, wie Fatima sich in Spiegelbildern betrachtet – als wolle sie sich ihrer eigenen Existenz versichern. Als Einflüsse für ihren sozialrealistischen Stil nennt Herzi unter anderem Regiekolleg/-innen Andrea Arnold, die Dardenne-Brüder und Abdellatif Kechiche: Genau wie sie verknüpft Herzi authentisch wirkende Alltagsbeobachtungen mit poetischer Bildsprache, wenn Fatima zum Beispiel unter weichem rötlichem Zum Inhalt: Licht durch die Pariser Nacht tanzt.

Das Thema: Ich bin viele

Der Film handelt von der Suche nach dem eigenen Platz in der Welt, widersprüchlichen Emotionen, Emanzipation und Zugehörigkeit. Dabei wird keine klassische Coming-out-Geschichte erzählt, die geradlinig von Selbstverleugnung zu Selbstakzeptanz führt. Stattdessen wird Identität als etwas Vielschichtiges und Unabgeschlossenes gezeigt. Fatimas Liebe zu ihrer Religion und ihrer Familie steht nicht im Widerspruch zu ihrer lesbischen Identität. Sie findet Halt und Gemeinschaft an ganz unterschiedlichen Orten (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set). Trotzdem entstehen daraus innere Spannungen und Aushandlungsprozesse – zwischen Selbstbestimmung, Sexualität, Glaube, Familie – die der Film nicht endgültig auflöst.

Kritische Aspekte: Altersunterschiede

Fatima wird im Laufe der Geschichte nur in Beziehungen mit älteren Frauen gezeigt, wobei sie zumindest zu Beginn selbst noch minderjährig ist. Dabei handelt es sich um ein wiederkehrendes Klischee queerer Zum Inhalt: Coming-of-Age-Filme, das in den letzten Jahren kritisch diskutiert wurde und im Filmgespräch entsprechend eingeordnet werden sollte.

Fragen für ein Filmgespräch

  • Welche Orte und Menschen sind wichtig für Fatima? In was für einem Konflikt steht sich mit sich selbst?

  • Konntet ihr Fatimas Gefühle und Gedanken gut nachvollziehen? Welche filmischen Möglichkeiten gibt es, die Gefühle einer Figur zu vermitteln? Welche nutzt "Die jüngste Tochter"?

  • Wie könnte Fatimas Geschichte weitergehen?

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