Bildungsrelevant, weil der Jugendfilm ein zeitgenössisches Bild der DDR-Gesellschaft vermittelt – zwischen Kritik und Anpassung.

Die Geschichte: Per Anhalter durch die DDR

Die DDR im Jahr 1977, zur Zeit der Sommerferien: Ganz allein trampt der 15-jährige Gunnar von Berlin an die Ostsee. Der riesige Seesack, den er auf der Schulter trägt, muss rechtzeitig zu seinem älteren Buder kommen – in zwei Tagen legt der Matrose in Rostock ab. Auf dem Weg lässt sich der pfiffige Junge von einem alten Professor mit Motorrad, einem Pastor und einem zwielichtigen Mercedes-Fahrer transportieren. Zur Mitfahrerin wird aber auch die 13-jährige Teresa, die ihren Zug ins Ferienlager verpasst hat. Gunnars Versuche, das jüngere, aber deutlich reifere Mädchen mit flotten Sprüchen oder bei einem Zwischenstopp im Strandbad mit einem "Rückwärtsköpper" vom Fünf-Meter-Turm zu beeindrucken, scheitern kläglich. Als sie todmüde einen Zum externen Inhalt: LPG-Betrieb (öffnet im neuen Tab) nahe der Küste erreichen, hilft Gunnar bei der Zubereitung des Frühstücks; er hat inzwischen einiges über das Leben gelernt.

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Filmische Umsetzung: Sommer, Sonne, Roadmovie

Gerhard Holtz-Baumerts Buchvorlage Trampen nach Norden entwickelte sich nach ihrem Erscheinen 1975 zu einem kanonisierten Klassiker der DDR-Jugendliteratur. Regisseur Wolfgang Hübner inszenierte seine Zum Inhalt: Adaption relativ werkgetreu als ostdeutsches Zum Inhalt: Roadmovie. In der episodisch erzählten Reise des naiven Helden geht es vor allem um ein jugendliches Lebensgefühl. Gunnar nutzt die Freiheit der Sommerferien – und der Film die in Wahrheit engen Grenzen eines DDR-"Roadmovies" – voll aus. Die warmen Farben (Glossar: Zum Inhalt: Farbgestaltung) eines Sommers auf dem Land und eine Bevölkerung in bunten Hemden, Schlaghosen und sogar Jeans liefern den richtigen Hintergrund für Selbstfindung und Abenteuer.

Thema: Zeitbild der DDR in einer Tauwetterperiode

Bei aller Unbeschwertheit empfiehlt sich der Jugendfilm heute als interessantes Zeitdokument. In der "Tauwetterperiode" der 1970er-Jahre wagte Regisseur Hübner eine Balance zwischen realistisch inszenierter DDR-Alltagswirklichkeit und utopischem Selbstbild des sozialistischen Staates. Leise Spitzen gegen den Sozialismus und seine motorisierten "Kleinbürger" sind erlaubt in einem insgesamt funktionierenden Gemeinwesen. Auf der Straße werden Fremde schnell zu Freunden, man hilft sich. In diesem Rahmen verkörpern Gunnars Mitfahrgelegenheiten Sozialtypen, die zu seiner Entwicklung beitragen: der verständnisvolle Pastor, der Ruhe und Langsamkeit preisende Professor und im Gegensatz dazu der Betrüger im schnellen Westwagen, den Gunnar bewundert und schließlich doch der Staatsmacht meldet. Nach einem kurzen Austesten alternativer Werte und Identifikationsmodelle folgt er den Normen der DDR-Gesellschaft – im ironischen Ton des Films der "StVO". Manches in diesem DEFA-Fernsehfilm, der seinerzeit auch ins Kino kam, wirkt heute nostalgisch verklärend oder gar problematisch, etwa Teresas distanzloses Verhalten gegenüber erwachsenen Männern, aber sein Thema auch zeitlos.

Fragen für ein Filmgespräch

  • Betrachtet Gunnars Reiseroute auf einer Landkarte. Wird heute noch getrampt? Wie würdet ihr eine solche Reise unternehmen?

  • Im Buch stammt Gunnar aus einer Arbeiterfamilie, Teresa aus einer akademischen Familie. Werden diese Unterschiede im Film deutlich? Inwieweit konntet ihr euch mit den Charakteren identifizieren?

  • Welche Charaktereigenschaften verkörpern Gunnars Mitfahrgelegenheiten wie der Pastor, der Mercedes-Fahrer oder auch die Gruppe von Radlern/-innen, denen er sich anschließen darf? Welches Bild der DDR-Gesellschaft wird hier gezeichnet?

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