Kategorie: Filmbesprechung + Arbeitsblatt
"Splitter aus Licht"
Ulamky Svitla
Alltag im Krieg: Dokumentarfilm über Menschen in der ukrainischen Stadt Butscha
Unterrichtsfächer
Thema
Bildungsrelevant, weil der Dokumentarfilm eindringlich die psychischen Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die ukrainische Bevölkerung zeigt
Die Geschichte: Ein Neuanfang in Butscha?
Anfang 2022, zu Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine, besetzten russische Truppen auch die Stadt Butscha bei Kyjiw. Als die ukrainische Armee den Ort wenige Wochen später befreite, wurde bekannt, dass die Invasoren ein Massaker an der Bevölkerung verübt hatten. Inmitten von Häuserruinen versuchen die überlebenden Bewohner/-innen seither, das Erlebte zu bewältigen und sich neu zu orientieren: Taras, ein städtischer Angestellter dessen Frau und Tochter ins sichere Westeuropa geflohen sind, hilft als Freiwilliger bei der Identifizierung der über 400 Todesopfer. Anya und Maxim haben vor seiner Einberufung noch schnell geheiratet und müssen nun damit klarkommen, dass ihre Ehe vom Krieg überschattet ist. Liudmyla wiederum trauert um ihren von russischen Soldaten ermordeten Ehemann – der junge Rechtsanwalt Yuri bemüht sich, das Verbrechen in Abwesenheit des Täters vor Gericht zu bringen. Und während sich die russischsprachige Olga gegen die Anschuldigung wehrt, mit russischen Soldaten kollaboriert zu haben, engagiert sich die Schülerin Olenka bei einem Theaterprojekt, das den Jugendlichen helfen soll, den Blick in die Zukunft zu richten.
Filmische Umsetzung: Nüchterne Beobachtung des Kriegsalltags
In ihrem Zum Inhalt: Dokumentarfilm "When Spring Came to Bucha" (UK/DE 2022) hatten Mila Teshaieva und Marcus Lenz kurz nach der Rückeroberung von Butscha das Entsetzen der Einwohner/-innen, aber auch ihren Widerstandsgeist festgehalten. Ihr Nachfolgefilm protokolliert nun als Langzeitbeobachtung den schwierigen Alltag der Menschen im Spannungsfeld von Traumatisierung, Angst und Durchhaltewillen. Die Protagonisten präsentiert "Splitter aus Licht" in alternierender Zum Inhalt: Montage, wobei kurze Zum Inhalt: Inserts die Orientierung erleichtern. Auf dramatische Verdichtungen und einfache Botschaften verzichtet der Film. Das Geschehen fängt er in oft langen, ruhig und distanziert beobachtenden (Glossar: Zum Inhalt: Einstellungsgrößen) Einstellungen ein. Mitunter sind die Bilder von einem dezenten Score (Glossar: Zum Inhalt: Filmmusik) untermalt. Explizite Gräuel bleiben ausgespart. Die Schrecken des Krieges werden gleichwohl subtil anschaulich, etwa wenn Liudmyla die Mütze ihres Mannes mit zwei Schusslöchern vorzeigt.
Thema: Das Weiterleben nach dem Massaker
Jenseits der Tagesaktualität zeigt "Splitter aus Licht", wie die Kriegsereignisse die Betroffenen individuell nachhaltig prägen und verändern – und den gesellschaftlichen Zusammenhalt auf die Probe stellen. So beklagt sich Maxim darüber, dass die Zivilist/-innen schnell vergessen, dass er und seine Kameraden einen hohen Preis für deren "Normalität" zahlen. Der großenteils von Trauer und Melancholie geprägte Dokumentarfilm zeichnet ein illusionsloses Bild vom Weiterleben nach dem Massaker. Umso mehr überrascht das Finale: Wenn Olena und andere Kinder auf einem Hof zu einer beschwingten Musik tanzen, keimt plötzlich doch noch Hoffnung und Lebensfreude auf.
Fragen für ein Filmgespräch:
Welches Bild vermittelt der Film vom Alltag in Butscha? Inwieweit unterscheidet es sich von Nachrichtenbeiträgen über den Ort – auch hinsichtlich der eingesetzten filmästhetischen Mittel?
Welche Spannungen innerhalb der Einwohnerschaft erkennt Ihr im Film?
Dass sich der Mörder von Liudmylas Ehemann jemals persönlich vor Gericht verantworten muss, erscheint ungewiss. Warum engagiert sich der Anwalt dennoch, das Verbrechen zur Anklage zu bringen?