In ihrem Dokumentarfilm
Walchensee Forever arbeitet Regisseurin Janna Ji Wonders mit verschiedenen Materialien – von Schwarz-Weiß-Fotografien, alten Videoaufnahmen bis zu aktuell digital gedrehten Interviews. Die Videoanalyse untersucht, wie diese für den Film eingesetzt wurden.
Videoanalyse: Die Montage in Walchensee Forever (© kinofenster.de, 2021)
In ihrem Dokumentarfilm
Walchensee Forever porträtiert Janna Ji Wonders die Frauen aus ihrer Familie: die Großmutter Norma, deren Töchter Anna und Frauke sowie sich selbst:
(Anna) "Ja, jetzt bist du ja auf der Welt. Sollen wir tauschen, Plätze?"
Die Basis dafür bildet das umfangreiche Bild- und Videoarchiv, das die Familie Werner von 1918 bis heute zusammenstellte. Ein langes
Interview mit der Mutter verbindet den Fundus:
(Anna) "Ja, es ist seltsam … die Stimme meiner Schwester wiederzuhören."
Die versierte Filmeditorin Anja Pohl
montiert das Material zu einer Collage. Dabei hantiert sie mit Bild- und Tonquellen diverser Formate: Schwarz-Weiß- und Farbfotos aus verschiedenen Jahrzehnten,
Super 8-, 16mm- und Videoaufnahmen, zudem Briefe, Zeichnungen, Zeitungsartikel oder ein Radiobericht:
(Radio) "Hier ist der Bayerische Rundfunk mit seinem zweiten Programm. Vom Walchensee nach Mexiko nennt sich die folgende Sendung."
Werfen wir einen Blick darauf, wie Anja Pohl das vielfältige Material per Bild- und Tonmontage zu einer kontinuierlichen Erzählung zusammenfügt.
Vor allem die Tonspur verknüpft die Fragmente. Das Gespräch mit der Mutter, aus dem Off vorgetragene Texte oder die
Musik liegen als Klammer unter den Bildern:
(Frauke) "Einen Tag verbrachten wir am Strand von Camelle, im rauschenden Wellenlied."
Weder
Texttafeln mit Jahres- und Ortsangaben, noch ein Kommentar sind hinzugefügt. Die Zeitebenen sind an der Art des Materials erkennbar:
(Norma) "Samma, filmst du jetzt schon? Komm, hör auf."
Einmal lesen Wonders und ihre Mutter eine Kurzgeschichte des Großvaters vor. Die
Sequenz zeigt auf, wie die Reise durch die Familienhistorie zugleich eine durch die Mediengeschichte ist. Erst ist die Erzählung mit Fotos illustriert, dann folgt der Wechsel zu frühen Bewegtbildern:
(Janna) "Als er Abschied nehmen musste, sagte ihm das Mädchen: Wenn du in den Krieg ziehen musst, will ich auch gehen und als Krankenschwester meine Pflicht tun. (…) Wir wollen nun nicht mehr länger warten."
Die Übergänge zwischen den Bild- und Tonstücken sind dezent gestaltet. Anstelle von
Blenden nutzt die Editorin Anja Pohl zum Beispiel die Bewegungen der gefilmten Personen:
(Janna) "Teilen wir es uns oder nicht?"
Ab und an markieren zufällige oder digital eingefügte Bildstörungen den Schnitt.
Daneben schafft das
Tondesign eine Verbindung. Oft in Form von Überlappungen, bei denen der Ton einer Szene bereits in der vorherigen beginnt: (
Janna) "Ich hab hier ne Kurzgeschichte, die dein Vater geschrieben hat. Willst du die mal lesen?"
Gelegentlich ertönt das Klicken eines Kameraauslösers.
Andere Stellen sind mit einer atmosphärischen Tonkulisse untermalt:
(Anna) "Irgendwann hat es uns weiter ins Innere des mexikanischen Landes gezogen (…) Also ich hör das heute noch in den Ohren, diese Töne der Gesänge in der Nacht, die dann so durch die Täler hallten."
Hier erfolgt der Bildwechsel im Rhythmus der Musik.
Die Montage strukturiert das Bild- und Tonmaterial zu einer fortlaufenden Filmerzählung. Vergangenes und Gegenwärtiges werden verbunden – wie in dieser Sequenz, wo eine Radiosendung die ältere Anna zum Mitjodeln bewegt.
Autor/in: Christian Horn, freier Filmjournalist in Berlin, 18.10.2021
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