Saint-Marc-sur-Mer, Sommer 1952: Der
Badeort an der französischen Atlantikküste erlebt seinen alljährlichen Ansturm. Mit dem Ferienbeginn kommen Familien von überall her, beziehen ihre Strandkörbe, kleiden sich um. Mit lautstarkem Knattern platzt ein schrulliger Kauz in dieses gewohnte Ritual: Monsieur Hulot, ein alleinstehender Herr ungewissen Alters, kommt in seinem Amilcar. Das altertümliche Automobil, Baujahr 1924, fährt so seltsam, wie sein Besitzer läuft. Und mit ihm kommt Bewegung in die Routine. Hulots Versuche, Urlaub zu machen, führen regelmäßig ins Chaos. Mit einem kaum seetüchtigen Paddelboot erschreckt er die Badegäste. Auf der Suche nach einem Ping-Pong-Ball, mitten im Hotelrestaurant, bringt er gleich zwei Kartenrunden durcheinander. Die Folgen seiner Missgeschicke scheint Hulot allerdings ebenso wenig zu bemerken, wie das Befremden der übrigen Feriengäste. Lediglich die Kinder und ein paar Damen finden Gefallen an seinem selbstvergessenen Charme.
Die Ferien des Monsieur Hulot gilt seit seinem Erscheinen 1953 als Klassiker der
Slapstick-Komödie. Mit seinem zweiten Spielfilm etablierte der Komiker und Filmemacher Jacques Tati seine mit Hut, Pfeife und staksigem Gang gekennzeichnete Figur des Monsieur Hulot, der in seiner eigenen Welt zu leben scheint. Wie er widersetzt sich jedoch der ganze Film den Gepflogenheiten. Eine übergeordnete Handlung gibt es nicht. Das Geschehen setzt sich zusammen aus zahllosen kleinen Details, von der Kamera eingefangen aus der
halbnahen Distanz, die dem Publikum selbst eine beobachtende Position zuweist. Ungewohnt ist auch der
Ton. Noch ganz dem visuellen Erzählen des
Stummfilms gehorchend, wird er sehr sparsam verwendet und setzt vornehmlich akustische Akzente. Vogelgezwitscher, das Knattern der Autos oder das Ploppen eines Tennisballs bilden die sommerliche Geräuschkulisse. Das Klappern der Tür zum Hotelrestaurant ist lauter als jedes Gespräch. Während Monsieur Hulot sich auf einen einzigen Ausdruck („Hulot“) beschränkt, sind die übrigen Feriengäste zwar durchaus zu hören, doch ihre Worte – ob auf Französisch, Englisch oder Deutsch – sind für den Regisseur ohne Belang. Sie verhallen im Wind und dienen lediglich der Untermalung geschäftiger Ferienstimmung.
Wie in seinen späteren Filmen
Mon Oncle (1958) und
Playtime (1967) zeigt sich Jacques Tati als philosophischer Beobachter des französischen Alltagslebens. Die alljährliche Urlaubsroutine wird liebevoll aufs Korn genommen. Im Zusammentreffen kleinbürgerlicher Marotten mit dem verträumten Hulot offenbart sich die absurde Komik menschlicher Existenz zur Ferienzeit. Im Unterricht eignet sich der Film vor allem zur Analyse seiner gestalterischen Mittel, mit denen Tati auf die Zeit des Stummfilms verweist. Dabei können auch die visuellen Mechanismen der klassischen Slapstick-Komödie erörtert werden. Was macht diesen Humor komisch und vielleicht sogar, bei aller nostalgischen Anmutung, zeitlos? Für Monsieur Hulot, eine Figur in der Tradition von Charlie Chaplin und Buster Keaton, wäre die verblüffende Diskrepanz von Eigen- und Fremdwahrnehmung eine mögliche Antwort. Tati wurde damit selbst zum oft kopierten Vorbild späterer Komiker, etwa Loriot oder Rowan Atkinson („Mr. Bean“). Im realen Badeort Saint-Marc-sur-Mer erinnert heute eine Statue an den genialen Filmemacher.
Arbeitsblatt zum Film Die Ferien des Monsieur Hulot
Fächer: Deutsch, Französisch ab Klasse 6, ab 11 Jahren
Vor der Filmsichtung:
a) Tauscht euch im Plenum darüber aus,
• wo ihr in der Vergangenheit eure Ferien verbrachtet
• wo es euch besonders gefallen hat
• mit welchem Verkehrsmittel ihr an euren Ferienort gekommen seid
• wohin ihr gerne reisen würdet
b) Monsieur Hulot, der Protagonist in
Die Ferien des Monsieur Hulot (F 1953, Regie: Jacques Tati) fährt in den Urlaub – mit einem Amilcar, einem Auto aus den 1920er-Jahren. Seht euch die folgende
Szene an und fast zusammen, wo er die Ferien verbringt und wie die Bewohner/-innen und Angestellten des Hotels auf den neuen Gast reagieren.
Timecode: 00:09:27-00:14:14
c) Um welches
Filmgenre könnte es sich bei
Die Ferien des Monsieur Hulot handeln? Bezieht dabei eure Ergebnisse aus Aufgabe b) ein. Wie unterstützen filmästhetische Mittel (beispielsweise
Kameraeinstellungen und
Bildkomposition) die Wirkung auf Zuschauende?
d) Seht euch die Szene noch einmal an. Fasst zusammen, welche Besonderheiten euch hinsichtlich der
Tonebene und der
Musik aufgefallen sind.
Während der Filmsichtung:
e) Achtet darauf, was ihr über Monsieur Hulot erfahrt und was er während des Films sagt.
Nach der Filmsichtung:
f) Vergleicht eure Ergebnisse und fasst die Handlung des Films zusammen. Geht auch auf filmästhetische Besonderheiten ein.
g) Kennt ihr bereits Filme, die in Schwarz-Weiß gedreht wurden und wenige Dialoge und wenig Musik beinhalten? Nennt Parallelen hinsichtlich des Humors zu
Die Ferien des Monsieur Hulot.
h) Erläutert nun ausführlich, mit welcher Art von Humor Jacques Tati in
Die Ferien des Monsieur Hulot arbeitet. Seht euch dazu noch einmal die folgende Szene an.
TC 00:25:00-00:26:58
i) Jacques Tati drehte den Film in Farbe. Stellt Vermutungen an, warum er sich entschloss, den Film in Schwarz-Weiß in die Kinos zu bringen.
j) Würdet ihr
Die Ferien des Monsieur Hulot euren Freunden empfehlen? Begründet eure Entscheidung.
Autor/in: Philipp Bühler, Ronald Ehlert-Klein (Arbeitsblatt), 17.08.2020
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