Eigentlich möchte Greg Rachel gar nicht besuchen. Nur weil er es seiner Mutter versprochen hat, trifft er sich mit dem Mädchen aus seiner Schule, bei dem kürzlich Krebs diagnostiziert wurde. Und obwohl Rachel auch mit Greg zunächst überhaupt nichts zu tun haben möchte, lässt sie sich auf den Jungen ein – vor allem, weil er nicht aus Mitleid zu ihr gekommen ist. So entsteht zwischen den beiden eine Freundschaft, die Gregs Sicht auf die Welt verändert. Hatte er es bislang verstanden, in der Schule ein Chamäleon zu bleiben, muss er plötzlich Haltung zeigen. Rachel bringt ihn dazu, sich um einen Platz an der Universität zu bewerben. Greg wiederum möchte Rachel aufmuntern, indem er mit seinem Kumpel Earl einen Film für sie dreht. Doch die zündende Idee bleibt aus. Als Rachel beschließt, die Behandlung abzubrechen, fühlt Greg sich verraten.
Immer wieder kommentiert Greg aus dem Off die Filmhandlung, indem er Bezüge zu anderen Filmen herstellt – wenn er die Geschichte etwa mit einer romantischen Komödie vergleicht, falsche Versprechungen über den Handlungsverlauf macht oder gemeinsam mit Earl Parodien von Filmklassikern dreht. Während diese selbstreflexive Herangehensweise mit dem Filmwissen und der Erwartungshaltung des Publikums spielt, geht Regisseur Gomez-Rejon andererseits ganz unsentimental mit dem Thema Krankheit und Sterben um. Trotz seines leichten Tonfalls verschweigt der Film nicht, dass Rachel zunehmend unter ihrer Krebserkrankung leidet. Gleichzeitig zwingt die Konfrontation mit dem Tod der Freundin Greg, über seine eigene Zukunft nachzudenken.
Ich und Earl und das Mädchen, Szene (© 20th Century Fox)
Ich und Earl und das Mädchen ist vor allem ein
Coming-of-Age-Film, der davon erzählt, wie der sozial anfangs nahezu unsichtbare Greg, der ziellos durch sein (Schul-)Leben geht, zunehmend beginnt Entscheidungen zu treffen. Durch den humorvollen Umgang mit diesem Selbstfindungsprozess bietet seine Figur einen guten Ausgangspunkt für ein Filmgespräch über Freundschaft und Verantwortung sowie Lebensziele und -träume, die hier durch die Auseinandersetzung mit dem Sterben umso dringlicher erscheinen. In diesem Kontext lohnt sich ein Vergleich mit anderen Filmen über todkranke Jugendliche, etwa
Das Schicksal ist ein mieser Verräter,
Am Ende eines viel zu kurzen Tages oder
Coconut Hero – sowie eine Analyse, wie unterschiedlich die Filme mit dem Thema Tod umgehen. Aber auch zur Beschäftigung mit Filmklassikern lädt
Ich und Earl und das Mädchen durch die zahlreichen Zitate ein. So könnte eine praktische Aufgabe im Kunst-Unterricht darin bestehen, mit dem Handy eine Hommage an einen Lieblingsfilm zu drehen.
Autor/in: Stefan Stiletto, 19.11.2015
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