Joh Fredersen herrscht über die Megastadt Metropolis. Sein Sohn Freder verliebt sich in die Arbeiterführerin Maria und reagiert entsetzt auf die unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen in der Unterstadt. Dem rebellierenden Sohn sowie einer sich anbahnenden Arbeiterrevolte wirkt Fredersen entgegen, indem er den Erfinder Rotwang mit der Konstruktion eines Roboters beauftragt, der Marias Gestalt annehmen soll. Rotwang entführt Maria und überträgt ihr Antlitz auf die Maschinenfrau, die mit perfider Verführungskunst die Arbeiter zum unkontrollierten Aufstand aufhetzt. Doch die Revolte gerät zum Massenwahn mit katastrophalen Auswirkungen. Nur durch den beherzten Einsatz Freders und der echten Maria kann Metropolis vor dem Untergang gerettet werden.
Regisseur Fritz Lang arrangiert zahlreiche Versatzstücke unterschiedlicher Herkunft zu einem beunruhigend wirkenden Gesamtbild: teils futuristisch überzeichnete Architekturkulissen der Moderne, phantastische und religiöse Motive sowie Elemente des Mittelalterlichen, der Gotik und des Expressionismus. Hinzu kommen noch heute eindrucksvolle Tricktechniken, aufwendig choreographierte Massenszenen und dynamische Montagesequenzen. Darüber hinaus verweisen die sichtbaren Spuren im wiederentdeckten und -eingefügten Material auf die Geschichte der verstümmelten und verschollenen Premierenfassung von 1927 sowie den Prozess der Wiederherstellung. In Metropolis werden fiktionale und filmhistorische Dimensionen gleichermaßen sichtbar, sodass der Kinobesuch nicht nur für Jugendliche zu einem Wahrnehmungserlebnis und einer Entdeckungsreise wird; überraschend und herausfordernd im besten Sinne.
Metropolis ermöglicht unterschiedliche Lesarten: Analog zur Thematik der Massen- und Klassengesellschaft können die Stadt als filmischer Handlungsraum im Allgemeinen und die Architekturkulisse in Metropolis im Speziellen diskutiert werden. Insgesamt ist die Zusammenstellung zahlreicher Versatzstücke unterschiedlicher Herkunft von Interesse: die futuristische Architekturkulisse, die der Skyline Manhattans nachempfunden ist und dabei mit biblisch-religiösen Motiven (Turmbau zu Babel), gotischen Elementen (Dom) und rokokohaften Szenerien (die künstlichen Gärten der Reichen) gekreuzt wird. Zur Entschlüsselung des ästhetischen Gesamtarrangements können neben einer Spezifizierung unterschiedlicher Stile und Epochen die Begriffe Bricolage (und artverwandt) Collage als Hilfestellung dienen. Um die Wirkung von Metropolis auf das Genre Science-Fiction veranschaulichen zu können, bieten sich vergleichende Analysen der Filme Blade Runner und Matrix an. Auch kann die Montage als Prinzip des filmischen Erzählens erörtert werden. Schließlich verweisen die nachträglich eingefügten Filmszenen nicht nur auf die Restaurationsgeschichte, sondern lenken den Zuschauerblick auf die Schnittstellen zwischen den Bildern. Abschließend können die Restaurations- und Rezeptionsgeschichte des Films thematisiert und mit den Begriffsfeldern Filmklassiker und Kulturerbe abgeglichen werden.
Dieser Text ist eine Übernahme des VISION KINO-FilmTipps.
Autor/in: Carsten Siehl, 30.04.2011, Vision Kino 2011.