Chatti,
ein Dorf im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu. Während Nachbarinnen einen Plausch halten und Jungen mit ihren Plastikreifen durch die Straßen flitzen, taucht plötzlich ein farbenfroher Demonstrationszug auf, angeführt von Sri Priya, der Innenministerin des örtlichen Kinderparlamentes. Mädchen und Jungen mit Plakaten in den Händen skandieren: "Werft keinen Plastikmüll weg!" Sie ernten teils neugierige, aber auch skeptische Blicke der Umstehenden. Über 50.000 Kinderparlamente gibt es mittlerweile in Indien. Und ihre Mitglieder konnten schon viel bewirken: Sie sorgten etwa dafür, dass Schulverweigerer/-innen zum Unterricht erschienen und die Straßenbeleuchtung wieder funktionierte. Sie pflanzten Bäume und Heilpflanzen in ihren Dörfern und brachten Petitionen für ein Alkoholverbot auf den Weg. In Chatti gibt es jetzt auf Initiative der Kinder eine selbst organisierte Müllabfuhr.
Mittels
parallel montierter Episoden stellt Filmemacherin Anna Kersting in ihrem beobachtenden Dokumentarfilm die Wirkkraft der basisdemokratischen Arbeit dreier Kinderparlamente in Indien vor. Auf filmischer Ebene wird die starke Präsenz der Kinder unterstützt, weil die Regisseurin auf einen "erwachsenen"
Off-Kommentar verzichtet und konsequent aus der Perspektive der Kinder erzählt. Die Kamera bildet auf
Augenhöhe der jungen Mitwirkenden deren Lebensumstände ab und stellt eine intensive Nähe zu ihren Empfindungen her. Während Shaktivel, der Kulturminister aus Patti, schmerzhafte Erfahrungen mit dem Alkoholismus seines Vaters in die
Inszenierung eines Theaterstückes einfließen lässt, setzt sich Premierministerin Swarna Lakshmi, die von Geburt an blind ist, vor allem für eine inklusive Schulausbildung aller Kinder ein. Sie selbst hat sich durch den Behördendschungel gekämpft, um in eine Regelschule gehen zu dürfen. Ihr couragierter Weg wird durch humorvolle
Comic-Sequenzen nachvollziehbar, die die Struktur und Aufgabengebiete der indischen Kinderparlamente in
animierten Grafiken verdeutlichen.
Power to the Children, Trailer (© Backpack Distribution – Anna Kersting Filmverleih)
Es ist beeindruckend zu sehen, wie respektvoll die Kinder während der Sitzungen ihrer Parlamente miteinander umgehen und ihre Anliegen später mit Selbstbewusstsein gegenüber den Erwachsenen vertreten. Ihr Beispiel lädt Kinder und Jugendliche dazu ein, sich in den Fächern Gemeinschaftskunde, Ethik oder Religion in Gesprächen und Rollenspielen zu öffnen, gegenseitig zuzuhören und auszutauschen. Denn Probleme wie Kinderarmut, Alkoholismus und häusliche Gewalt sind auch in Deutschland präsent. Statistiken besagen, dass im Durchschnitt in jeder Klasse ein Kind mit diesen Themen zu kämpfen hat. Außerdem regt das erfolgreiche Engagement der Protagonistinnen und Protagonisten an, über eigene Möglichkeiten der Partizipation nachzudenken: Welche Aktionen können gemeinsam geplant werden, um sich für die Bedürfnisse und Rechte von Kindern einzusetzen?
Autor/in: Susanne Kim, 18.09.2018
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