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Warum hast du so große Augen? Ästhetische Merkmale japanischer Zeichentrickfilme
Animationsfilme aus Japan, so genannte Animes, zeichnen sich durch einen Inszenierungsstil aus, der sich zum Teil deutlich von Produktionen aus den USA oder Europa unterscheidet.
Zum Inhalt: AnimationsfilmAnimationsfilme aus Japan, so genannte Zum Inhalt: AnimeAnimes, zeichnen sich durch einen Inszenierungsstil aus, der sich zum Teil deutlich von Produktionen aus den USA oder Europa unterscheidet und oft tief in der japanischen Kultur verwurzelt ist. Gerade diese ungewöhnliche, andere Erzählform macht den Reiz dieser Filme aus oder fordert Kritik heraus.
Eine andere Wahrnehmung
So universell verständlich Bilder auch zu sein scheinen, so deutlich werden die Unterschiede in der Wahrnehmung, wenn sich die Leserichtung verändert. Japanische Bücher und Comics, so genannte Mangas, werden – aus westlicher Sicht – von hinten nach vorne und von rechts nach links gelesen. Daher kommt zum einen dem rechten Bildfeld in Zum Inhalt: AnimationsfilmAnimationsfilmen eine besondere Bedeutung zu – wichtige Handlungselemente erscheinen rechts – zum anderen erhalten Blickrichtungen eine andere Bedeutung: Der Blick in die Vergangenheit etwa richtet sich demnach nach rechts aus dem Bild und eine diagonale Bewegungsrichtung von rechts oben nach links unten verstärkt nach japanischer Leserichtung eher die Dynamik und führt abwärts, während sie aus westlicher Sicht als verlangsamend interpretiert wird.
Figuren und kulturelle Codes
Offensichtlich hingegen sind die großen Kulleraugen und die aus wenigen Strichen bestehenden Gesichter und Figuren, die zum Markenzeichen japanischer Zum Inhalt: AnimationsfilmZeichentrickfilme geworden sind und mit denen sich diese deutlich von den detaillierten Hintergrundzeichnungen abheben. Bisweilen wird die runde Form der Augen als Orientierung an einem westlichen Schönheitsideal interpretiert. Die Erklärung jedoch ist viel einfacher: Durch die großen Augen und die Betonung der Pupillen – der Zeichenstil geht angeblich auf den berühmten Mangazeichner Osamu Tezuka zurück, der wiederum stark von Disney beeinflusst wurde – kann zeichnerisch einfach und für die Zuschauenden schnell erkennbar eine große Bandbreite an Emotionen dargestellt werden.
Zwar verfügen Zum Inhalt: AnimeAnimes in dieser Hinsicht über einen größeren Spielraum als Mangas, in denen jede Bewegung durch eindeutige, manchmal grotesk wirkende Gesten für die schnellere Lesbarkeit in einem Einzelbild auf den Punkt gebracht werden muss. Doch auch in Zum Inhalt: AnimeAnimes haben sich bestimmte Codes durchgesetzt, die teilweise ohne kulturelles Hintergrundwissen nicht mehr dechiffrierbar sind. So haben etwa die Haarfarben der Figuren bestimmte Bedeutungen für deren Charaktereigenschaften – und die schwarze Haarfarbe gilt nach der japanischen Lesart eher als typisch, blond hingegen als fremd. Was die Mimik betrifft, so deuten Schweißtropen auf große Anstrengung hin, rote Backen auf Scham und Nasenbluten auf sexuelle Erregung. Mit diesem Wissen etwa erhält das Ende von Zum Filmarchiv: "Summer Wars" (Samâ wôzu, Japan 2009) von Mamoru Hosoda eine andere Bedeutung, ohne vulgär zu werden.
Wie im Realfilm
Katsuhiros Otomos "Akira" (Akira, Japan 1988) gilt als Initialzündung der weltweiten Beachtung von Animes. Schon die Zum Inhalt: SequenzEröffnungssequenz durchbrach damals mit aller Wucht die Erwartungen an einen Zeichentrickfilm: Anstelle statischer Hintergründe versetzt Otomo die Zuschauenden bei einer Auseinandersetzung zweier Motorradgangs, die durch die Straßen einer riesigen Metropole rasen, ins Zentrum des Geschehens. Die Inszenierung lehnt sich mit den Zum Inhalt: Licht und LichtgestaltungLichteffekten sowie den zahlreichen wechselnden Einstellungen und Zum Inhalt: KameraperspektivenKameraperspektiven an Realfilme an – eine Technik, die Otomo zuvor auch mit einzelnen Bildpanelen in seiner gleichnamigen Manga-Serie angewendet hatte. Ebenfalls in Anlehnung an einen üblichen Mangastil greift Otomo das Konzept der so genannten Speed Lines auf, indem der Hintergrund aufgrund der Bewegung auf Linien reduziert und dadurch umso mehr die Geschwindigkeit simuliert wird. Das Ergebnis ist ein dynamisches Erlebnis, das die Unterschiede zwischen Zum Inhalt: AnimationsfilmAnimationsfilm und Realfilm in der Wahrnehmung verwischen lässt. Doch mehr noch als solche expressiv und rasant Zum Inhalt: Montagemontierten Szenen bleiben jene in Erinnerung, die nicht auf Action, sondern Kontemplation setzen.
Poesie des Stillstands
Eine typische Bildfolge japanischer Comics beschreibt Scott McCloud in seinem Buch Comics richtig lesen als Aneinanderreihung einzelner statisch wirkender Aspekte. In solchen Bilderfolgen geschieht im Grunde nichts – sie sollen eine Stimmung vermitteln. Genau diesen Stil haben Zum Inhalt: AnimeAnimes übernommen: Wenn etwa Major Kusanagi, eine Spezialagentin mit Cyborgkörper, in Mamoru Oshiis Science-Fiction-Klassiker "Ghost in the Shell" (Kōkaku Kidōtai, Japan 1995) plötzlich beginnt, an ihrer Identität und Unverwechselbarkeit zu zweifeln, begibt sie sich auf eine Bootsfahrt durch die Metropole. Nur einzelne Zum Inhalt: EinstellungsgrößenTotalen reiht der Film in einer Zum Inhalt: MontagesequenzMontagesequenz aneinander, die durch den Zum Inhalt: FilmmusikScore von Kenji Kawai verbunden werden; eine überaus kontemplative Szene, die das Tempo drosselt und ein Gespür für die Gefühle der Protagonistin vermittelt. Hayao Miyazaki verwendet diese Art der Inszenierung zum Beispiel in "Nausicaä aus dem Tal der Winde" (Kaze no Tani no Naushika, Japan 1984) und Zum Filmarchiv: "Das Schloss im Himmel" (Tenkū no Shiro Rapyuta, Japan 1986) vor allem in solchen Szenen, in denen die Protagonisten/innen voller Ehrfurcht die
Schönheit der Natur betrachten: Momente der Erhabenheit, in denen sich bei Miyazaki auch der Einfluss des Shinto spiegelt. Auf die Spitze treibt derzeit Makoto Shinkai diesen Stil: In seinem Langfilmdebüt "The Place Promised in Our Early Days" (Kumo no Mukō, Yakusoku no Basho, Japan 2004) erzählt er von der Freundschaft zweier Jungen und eines Mädchens in einer nahen alternativen Zukunft. Einen Sommer lang sehnen sich die drei Jugendlichen danach, irgendwann den schmalen hohen Turm zu erreichen, den sie aus der Ferne sehen können – bis das Mädchen plötzlich verschwindet. Die Inszenierung vermittelt das eigenartige Gefühl jener Lebensphasen, in denen sich etwas verändert und die Zeit doch stillzustehen scheint. Shinkai bettet seine Figuren in äußerst realistisch wirkende, detaillierte Hintergrundzeichnungen ein und verwendet aufwändig animierte Lichteffekte. Seine Bilder laden zum Betrachten und Versinken ein – Bilder voller Ruhe und Poesie.
Literaturtipps
McClound, Scott: Comics richtig lesen, Hamburg 1994
Schodt, Frederick L: Dreamland Japan, Berkeley 1996