Im von der Taliban regierten Afghanistan herrschen radikalislamische Gesetze, die die Freiheit von Mädchen und Frauen erheblich einschränken. So dürfen sie beispielsweise nicht allein das Haus verlassen und erhalten ab dem achten Lebensjahr keine Schulbildung mehr. Die umfassende Entrechtung trifft auch die 11-jährige Parvana, die mit ihrer verarmten Familie in Kabul lebt. Als der Vater als angeblicher "Feind des Islam" verhaftet wird, stehen Parvana, ihre Mutter, die ältere Schwester und der kleine Bruder vor dem existenziellen Aus. Damit sie auf dem Markt Nahrung kaufen und Dienste wie Übersetzungen und Briefeschreiben anbieten kann, tarnt sich das Mädchen mit einer Kurzhaarfrisur und entsprechender Kleidung als Junge. Tagsüber führt Parvana mit einer ebenfalls verkleideten Bekannten Gelegenheitsjobs aus, abends erzählt sie ihrem Bruder ein Märchen über einen Knaben, der am Hindukusch-Gebirge gegen einen Elefantenkönig kämpft. Ihr Wunsch, den Vater im Gefängnis zu besuchen, scheint jedoch unerfüllbar.
Der
Animationsfilm nach dem
Kinderbuch "Die Sonne im Gesicht: Ein Mädchen in Afghanistan" von Deborah Ellis erscheint trotz Oscar®-Nominierung ohne reguläre Kinoauswertung beim Streaming-Dienst Netflix. Regisseurin Nora Twomey
inszeniert die Taliban-Diktatur als Schreckensszenario, das auch körperliche Gewalt zeigt und in einigen
Spannungsmomenten gipfelt. Die
pastell- und erdfarbenen Bilder voller Staub und Dunst, die grauen Fassaden sowie der melancholische
Score von Mychael und Jeff Danna erzeugen ein Gefühl des Eingesperrt-Seins. Farbenfroh wird es fast nur in dem in
Scherenschnittoptik gehaltenen Märchen, das Parvana ihrem Bruder erzählt. Die Binnenerzählung greift Aspekte der tristen Realitätsschilderung auf und bildet zugleich einen fantasievollen Gegenpol dazu. Einfühlsam erzählt, liefert das irische Animationsstudio Cartoon Saloon mit
Der Brotverdiener eine durchaus beklemmende Darstellung der alltäglichen Diskriminierung von afghanischen Mädchen und Frauen durch die Taliban. Daher empfiehlt sich der Film – im Gegensatz zu den Vorgängern
Brendan und das Geheimnis von Kells (2009) und
Die Melodie des Meeres (2014) – nicht für den Einsatz in der Grundschule.
Für das Fach Geschichte und die gesellschaftskundlichen Fächer liefert
Der Brotverdiener Ansätze für Unterrichtseinheiten über Armut, Krieg und die Geschichte Afghanistans vor, während und nach dem Taliban-Regime (1996-2001). Die vom Film thematisierte Misogynie sollte eine Diskussion über Rollenbilder, Emanzipation und die Ungleichbehandlung der Geschlechter in vielen Teilen der Welt anregen. In den Fächern Deutsch oder Kunst kann die einfache, aber effektive
Bildsprache analysiert werden. Die vergitterten Fenster von Parvanas Elternhaus greifen die beschnittene Freiheit auf, am Straßenrand blühende Blumen erscheinen als Symbole der Hoffnung. Ferner offeriert das durch fließende Übergänge in den Plot eingewobene Binnenmärchen ein Gespräch über die Tradition des Geschichtenerzählens, auf die bereits die
Eröffnungsszene verweist. Welche Funktionen erfüllt das Märchen für die Figuren des Films, welche Motive aus der Haupthandlung greift es auf?
Autor/in: Christian Horn, 03.09.2018
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