Kategorie: Filmbesprechung
"Vermiglio"
Am Ende des Zweiten Weltkriegs verändert sich das Leben von drei Schwestern, die in einem italienischen Alpendorf leben.

Unterrichtsfächer
Thema
Bildungsrelevant, weil die Geschichte eines italienischen Bergdorfs zur Kriegszeit weibliche Erfahrungen in den Mittelpunkt rückt.
Die Geschichte: Bäuerliche Gemeinschaft in einer Zeit des Umbruchs
Norditalien im Zweiten Weltkrieg, 1944: Im Bergdorf Vermiglio (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set) verläuft das Leben wie seit Jahrhunderten. Frauen melken Milch, Männer hacken Holz. Doch der scheinbar ferne Krieg hat Wunden hinterlassen. Männer im wehrfähigen Alter sind weitgehend abwesend; einer der wenigen ist der sizilianische Deserteur Pietro, der hier Zuflucht gefunden hat. Obwohl er kaum spricht, interessieren sich die Töchter des Dorflehrers Cesare – Lucia, Ada und Flavia – auf je eigene Art brennend für ihn. Lucia wird von ihm schwanger und heiratet Pietro, doch mit dem Kriegsende ereilt sie ein Schicksalsschlag. Während Ada Nonne wird und die kleine Flavia auf eine höhere Schulbildung hoffen darf, steht Lucia vor den Trümmern ihres Lebens. Nach einer Reise nach Sizilien fasst sie den Mut, Vermiglio zu verlassen.
Filmische Umsetzung: Frauenleben im Lauf der Jahreszeiten
Inspiriert von Berichten ihrer eigenen Familie erzählt die Filmemacherin Maura Delpero ein stilles Bauernepos in einer Zeit des Umbruchs. Im Zentrum seiner Familie wie des Dorfes steht die imposante Figur Cesares, der als Patriarch über die Zukunft seiner Töchter und Söhne entscheidet. Doch wichtiger als jede Handlung im Sinne eines Zum Inhalt: Plots ist die Arbeit der Kamera, die zunehmend auf die weiblichen Figuren fokussiert. Ada, das wenig beachtete Mittelkind, kämpft mit ihrer Entwicklung zur Frau, die sie kaum versteht. In sensibel inszenierten, zugleich fast komischen Zum Inhalt: Szenen betrachtet sie die versteckten Erotikfotografien ihres gebildeten Vaters, masturbiert heimlich und bestraft sich dafür. Ihre kleinen Akte der Rebellion bleiben folgenlos, während Lucia für ihre Heirat einen bitteren Preis bezahlt. Delpero erzählt die Ereignisse eines Jahres in Rhythmus und Farbgebung der vier Jahreszeiten. Wenn nach Kriegsende plötzlich ein knallroter Reisebus auftaucht, hat selbst im verschlafenen Vermiglio die Moderne Einzug gehalten.
Thema: Poetische Verdichtung sozialer Verhältnisse auf dem Land
"Vermiglio," vor Ort mit vielen Laienschauspielern/-innen gedreht, überzeugt als Musterbeispiel eines regional verwurzelten Kinos ohne Klischees. Die politischen Themen des Films erschließen sich nicht durch erklärende Dialoge, sondern durch die genaue Beobachtung von Bildern, die Aufmerksamkeit erfordern: In Cesares Schule werden Kinder und Jugendliche jeder Altersstufe gemeinsam unterrichtet; nach Lucias Hochzeit drängen sich die Kinder noch enger in den verbleibenden Betten; wie nebenbei bekommt die Mutter ein weiteres Kind, das schon bald stirbt. Der ländliche Gemeinschaften jener Zeit prägende Kinderreichtum, die daraus folgend beengten familiären Verhältnisse und mangelnde Bildungschancen sind das eigentliche Gerüst der Handlung. Doch genauso beeindruckt der von fast allen Figuren von Cesare bis Lucia verkörperte Wille zu Aufklärung und Emanzipation.
Fragen für ein Filmgespräch
"Vermiglio" spielt zur Zeit des Zweiten Weltkriegs. Wie macht sich der Krieg im Film bemerkbar? Könnte der Film auch zu einer anderen Zeit spielen? Woran macht ihr das fest?
Im Mittelpunkt stehen die Schwestern Lucia, Ada und Flavia. Welche unterschiedlichen Erfahrungen machen sie und sind diese in unsere Zeit übertragbar?
Im Unterricht präsentiert der Lehrer Cesare stolz eine Schallplatte Die vier Jahreszeiten, ein berühmtes Werk des italienischen Nationalkomponisten Antonio Vivaldi (1678-1741). Welche Rolle spielen die Jahreszeiten für die Gestaltung des Films?