Kinostart: 08.09.1960 (USA) Distributionsform: DVD/Blu-ray, VoD Verfügbarkeit: Universal (DVD/Blu-ray), Prime Video, Sky Store, Apple TV, Magenta TV u.a. (VoD) Regie: Alfred Hitchcock Drehbuch: Joseph Stefano, nach dem Roman von Robert Bloch Darsteller/innen: Anthony Perkins, Janet Leigh, Vera Miles, John Gavin, Martin Balsam, John McIntire u.a. Kamera: John L. Russell Laufzeit: 109 min Format: 35 mm, Farbe, 1,66:1 Filmpreise: Golden Globe 1961: Beste Nebendarstellerin (Janet Leigh), Edgar Allan Poe Award 1961: Bester Film, u.a. FSK: ab 12 J. Altersempfehlung: ab 14 J. Klassenstufen:ab 9. Klasse Themen:Kriminalität, Filmsprache, Filmgeschichte, Angst/Ängste, Psychologie Unterrichtsfächer:Kunst, Englisch, Deutsch, Psychologie, Ethik
Phoenix, Arizona. Ihre Mittagspause verbringt die Sekretärin Marion mit ihrem Geliebten Sam in einem billigen Hotelzimmer. Von den heimlichen Treffen hat sie genug – doch Sam halten Geldprobleme davon ab, sie zu heiraten. Deprimiert kehrt Marion ins Büro zurück. Als der Chef sie beauftragt, vor Feierabend 40.000 Dollar in bar auf die Bank zu bringen, wird sie schwach: Sie nimmt das Geld an sich und flüchtet, in der Hoffnung auf ein neues Leben mit Sam, im Auto aus der Stadt. In der Dunkelheit kommt sie bei strömendem Regen von ihrer Route ab und steuert schließlich ein abgelegenes Motel an, das von einem jungen, schüchternen Mann namens Norman Bates betrieben wird. Da sie die einzige Gästin ist, schlägt er ihr ein gemeinsames Abendessen in der nahen Villa vor, in der er allein mit seiner Mutter lebt. Doch daraus wird nichts: Aus der Ferne muss Marion mitanhören, wie Normans jähzornige Mutter dem Sohn den Kontakt zu fremden Frauen lautstark untersagt. So zieht sich Marion in ihr Zimmer zurück, nicht ahnend, dass sie in tödlicher Gefahr schwebt.
Dass Alfred Hitchcocks mit niedrigem Budget, kleinem Team und in Schwarz-Weiß gedrehter Thriller nach dem Roman von Robert Bloch (1959) zum größten Kassenerfolg seiner Karriere avancierte, liegt nicht zuletzt am seinerzeit sensationellen Bruch eines erzählerischen Tabus: Die Protagonistin wird für das Publikum völlig überraschend noch vor der Hälfte des Films brutal ermordet. Die Handlungsauflösung über das Krankheitsbild der dissoziativen Identitätsstörung folgt dagegen erst in der Schlussszene: Ein Psychiater klärt auf, dass Norman vor Jahren aus pathologischer Eifersucht seine Mutter ermordet hatte, daraufhin ihre Identität integrierte und im Verhalten zu Frauen seither von ihrer mörderisch-kontrollsüchtigen Persönlichkeit beherrscht wird. Bis zu diesem auflösenden Moment greift Hitchcock, der Master of Suspense, zu filmästhetischen Mitteln und dramaturgischen Kniffen, für deren virtuosen Einsatz er in die Filmgeschichte einging: Kameraperspektiven, die den Zuschauenden gezielt Wissen vorenthalten oder ihnen gegenüber den Figuren einen Wissensvorsprung liefern, atmosphärische Beleuchtung (Glossar: Licht und Lichtgestaltung), der Einsatz spannungsreicher musikalischer Leitmotive (Filmmusik: Bernard Herrmann) und vieles mehr dienen einem Wechselbad aus Surprise- und Suspense-Momenten. Das von Marion entwendete Geld erweist sich als MacGuffin und sie selbst, beziehungsweise ihre Darstellerin Janet Leigh, reiht sich in die lange Liste der "Hitchcock-Blondinen" ein.
Der Filmtheoretikerin Laura Mulvey dienten zwar andere Hitchcock-Filme als Beleg ihrer Theorie des Male Gaze, doch auch anhand von Psycho lässt sich der männliche Blick des Kinos illustrieren: Dem Mord in der Dusche geht eine Szene voraus, in der Norman Marion durch ein Loch in der Wand beim Auskleiden beobachtet. Seine Blicke auf den weiblichen Körper sind als Point-of-View-Shots gefilmt – und werden so zu Blicken des Publikums. Der Male Gaze wird hier nicht nur reflektiert, sondern durch die anschließende Mordszene auch als gewalttätig markiert. Der Duschmord selbst ist ein Meisterwerk der Montage. In der über 70 Einstellungen zählenden Sequenz umging Hitchcock geschickt die Regeln des Hays Code: Kein einziges Bild zeigt das Eindringen des Messers in Marions Körper oder "unschickliche" Nacktheit; der Zusammenschnitt mit Close-Ups (Glossar: Einstellungsgrößen) ihrer Beine, ihres Bauchs, ihres schreienden Gesichts, ihres schließlich leblosen Auges und des mit Blut vermischten, abfließenden Wassers in der Wanne reichte aus, um den Mord zu erzählen. Die Szene zählt zu den bekanntesten der Filmgeschichte und wurde zahlreich zitiert – auch noch in Jahrzehnte später gedrehten, genrefremden Filmen wie Charlie und die Schokoladenfabrik (Tim Burton, USA 2005), die sich an ein junges Publikum richten.