Kategorie: Film
"Rashomon – Das Lustwäldchen"
Rashōmon
Klassiker von Kurosawa Akira, der durch seine multiperspektivische Handlung besticht: Ein Tahergang wird von verschiedenen Menschen unterschiedlich dargestellt.
Unterrichtsfächer
Thema
Während eines Unwetters sucht ein Landstreicher Zuflucht im Rashomon, dem in Trümmern liegenden alten Stadttor von Kyoto, wo er zwei völlig verstörte Fremde antrifft: einen Holzfäller und einen Mönch, die sich auf dem Rückweg von einer Gerichtsverhandlung befinden, zu der sie als Zeugen geladen waren. Der Holzfäller hatte drei Tage zuvor im Wald die Leiche eines Samurai gefunden, dem der Mönch kurz vorher noch begegnet war. Doch ist es weniger das Selbsterlebte, was beide innerlich aufwühlt, als die sich widersprechenden Berichte der Tatzeugen: Einigkeit herrschte zwar darüber, dass ein Bandit den Samurai überwältigt und gefesselt habe, um dessen Frau zu vergewaltigen. Nicht jedoch darin, wie der Samurai zu Tode gekommen sei – ob durch ehrenvollen Kampf, eine Verzweiflungstat der Frau oder Selbstmord.
Wenn Kurosawas "Rashomon" als wegweisend für das moderne Kino gilt, so liegt das einerseits an der aufregend modernen Bildästhetik, die durch eine äußerst bewegliche Kamera (Glossar: Zum Inhalt: Kamerabewegungen) und natürliche Lichteffekte (Glossar: Zum Inhalt: Licht und Lichtgestaltung) besticht – vor allem aber an seiner originellen multiperspektivischen Erzählkonstruktion. Denn tatsächlich erzählen der Holzfäller, der Bandit, die Frau und sogar der Tote (in Gestalt einer Geisterfrau) ihre Versionen des Tathergangs nicht nur, ihre Aussagen werden auch in Form von Zum Inhalt: Rückblenden visualisiert und somit gewissermaßen objektiviert. Da die Zeugen am Ausgangs- und Endpunkt ihrer Ausführungen zudem direkt in die Kamera blicken, rückt der Zuschauende umso mehr in die Position eines "Richtenden". Aufsehen erregte seinerzeit jedoch auch das ausdrucksstarke Spiel der Darsteller/innen, das an die Schauspieltechniken der Stummfilmära erinnerte. "Rashomon" , 1951 auf den Filmfestspielen von Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet, war der erste Kinofilm aus Japan, der weltweite Bekanntheit erlangte.
Indem Kurosawas Film verschiedene sich widersprechende Darstellungen desselben Tathergangs in einem doppelten Handlungsrahmen integriert, untergräbt er nicht nur die naive Vorstellung vom Kino als einer objektiven Wiedergabe von Realität, sondern reflektiert auf einer allgemeinen Ebene die Frage nach der Möglichkeit objektiver Wahrheit. Insofern bietet sich "Rashomon" im Unterricht einerseits für einen Einsatz im filmtheoretischen Kontext an, aber auch als Anregung für eine philosophische Diskussion. Interessant ist der Film darüber hinaus in Hinsicht auf die Darstellung des traditionellen japanischen Ehrbegriffs, der in den unterschiedlichen Perspektiven der Zeugen/innen zum Ausdruck kommt, wie auch als künstlerisches Zeugnis der japanischen Nachkriegszeit.