Mit nichts als "einem Hut voll Träumen" und den weltbesten Schokoladenrezepten kommt Willy Wonka in die große Stadt. Seine süßen Kreationen – da ist er sicher – werden Kinder wie Erwachsene glücklich machen. Zunächst allerdings landet er, der fest an das Gute im Menschen glaubt, in der schmierigen Pension von Mrs. Scrubbit, die ihn und andere Notleidende mithilfe des "Kleingedruckten" zum Frondienst in der Waschküche verdonnert. Auch ein übles Schokoladenkartell um die Fabrikanten Slugworth, Prodnose und Fickelgruber steht seinem Aufstieg entgegen. Durch regelmäßige Bestechung von Kirche und Polizei, allesamt schokoladensüchtig, kontrollieren sie die Stadt. Gemeinsam mit Mrs. Scrubbits bunter Schar von Gefangenen, darunter das Waisenkind Noodle, gelingt Wonka die Flucht und die Eröffnung eines grandiosen Schokoladengeschäfts. Doch noch ist das Kartell nicht geschlagen. Und auch der Umpa Lumpa Lofty, ein kleiner Mann mit grünen Haaren, hat noch eine Rechnung mit ihm offen.
Das opulente
Fantasy-
Musical erzählt die Frühgeschichte ("origin story") von Willy Wonka, bekannt als zentrale Figur aus Roald Dahls Kinderbuch
Charlie und die Schokoladenfabrik (1964). In zahlreichen
Songs preist der charismatische Exzentriker, hier noch ein junger Mann mit hochfliegenden Träumen, das Glück durch Süßigkeiten. Pittoresker Spielort ist eine namenlose europäische Metropole, die auch dank
CGI-Technik an das Wien, Paris oder London der Belle Époque (spätes 19. Jahrhundert) erinnert. Durch Wonkas Wirken als "Zauberer, Erfinder und Schokoladenmacher" kommen weitere spektakuläre
Set-Designs hinzu, etwa sein
kunterbunter Laden mitsamt Schokoladenbaum und -fluss und Zuckerblumen. In glänzend
geschnittenen Massenchoreografien huldigt bald die ganze Stadt dem süßen Vergnügen, manches Konfekt lässt die Menschen sogar fliegen. Abgerundet wird der ideenreiche
Plot durch die schon bei Roald Dahl angelegte Mischung aus grotesken Charakteren und doppeldeutigem Witz: Die hinterhältige Mrs. Scrubbit und ihr tumber Handlanger Bleacher stürzen sich ins Abenteuer der Liebe, der mit Schokolade bestochene Polizeichef gewinnt zusehends an Leibesfülle.
Wonka gefällt als humorvoller Familienfilm, der vom Willy Wonka der Buchvorlage sowie deren
Verfilmungen von 1971 und 2005 wenig ahnen lässt. Dort ist Wonka eine durchaus zwiespältige Figur, die mit den menschlichen Schwächen naschsüchtiger und verzogener Kinder teils grausames Spiel treibt – Dahls Witze über mehrgewichtige Personen und marginalisierte Gruppen haben in jüngster Zeit kontroverse Diskussionen ausgelöst. Wonkas Charisma als süßer Verführer, dessen Zuckerwerk scheinbar alle glücklich macht, lässt sich jedoch auch anhand der Neuadaption diskutieren. Vordergründig allerdings erzählt das Musical die Geschichte eines Träumers, der sich mit innovativem Handwerk, Menschlichkeit und Fantasie gegen ein marktbeherrschendes Monopol durchsetzt. In Politik und Wirtschaft, aber auch in den künstlerischen Fächern kann erörtert werden, wie der Film sein farbenfrohes Setting mit einer kapitalismuskritischen – und zugleich äußerst werbewirksamen – Botschaft verbindet: "Es geht nicht um die Schokolade, sondern um die Menschen, mit denen man sie teilt."
Autor/in: Philipp Bühler, 07.12.2023
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