Flotter junger Zauberer
Modische Anforderungen gehen auch an altehrwürdigen Institutionen nicht spurlos vorüber. Selbst der Welt liebster Zauberlehrling braucht hin und wieder einen neuen Schnitt: Die wirren Zotteln sind ab, Harry Potter trägt das Haar nun relativ kurz und sieht in seinem fünften Abenteuer endlich aus, als könnte er in einer Britpop-Band den Bass bedienen – bei Franz Ferdinand vielleicht. Die Pubertät ist in
Harry Potter und der Orden des Phönix nun nahezu überstanden: Es ist Zeit für Harrys ersten Kuss.
Kriminalfilm mit 3-D-Effekten
Auch die filmische Umsetzung bemüht sich um Modernität. Zwar sind die Gesichter bekannt und natürlich ebenso die grundsätzliche Dramaturgie, schließlich ist sie vorgegeben aus den manchmal formelhaften Romanen von Joanne K. Rowling. Aber Regisseur David Yates, der bislang vor allem fürs Fernsehen gearbeitet hat und sich erstmals an einem "Potter" versuchen darf, konzentriert sich mehr auf die Handlung als seine Vorgänger.
Harry Potter und der Orden des Phönix gehorcht – vor allem im Vergleich zum vierten, recht barocken Teil
Harry Potter und der Feuerkelch (Mike Nowell, 2005) – überwiegend den Regeln des Kriminalfilms, erzählt geradlinig seine Geschichte und vernachlässigt Nebenstränge. Die Protagonisten/innen haben nicht mehr mit den Widrigkeiten des Erwachsenwerdens zu kämpfen, sondern „nur“ noch mit dem zunehmend aggressiv auftretenden Bösen in Gestalt des Finsterlings Lord Voldemort. Zudem muss sich Harry Potter mit dem Zaubereiministerium auseinander setzen, das sogar die infame Professorin Umbridge als Spionin nach Hogwart versetzt hat. Mit einer Unzahl von Regeln und Repressionen dämmt Umbridge mögliche Widerstände ein und errichtet in der Zauberschule ein totalitäres Regime. In der Folge ist der Film der womöglich dunkelste, gar depressivste, der ganzen Serie. Der gut 20 Minuten lange Showdown präsentiert sich wie gewohnt als Konfrontation zwischen der Hauptfigur und Lord Voldemort; in dieser Folge sogar in 3-D-Technik.
Vertraute Figuren und Erzählmuster
Ansonsten aber ist, wenn schon nicht alles dann doch zumindest vieles, beim Alten in Hogwarts, der Schule für Hexerei und Zauberei. Harry wird von Selbstzweifeln und Missgunst geplagt; der rothaarige Ron und die schlaue Hermine necken sich verschämt verliebt und die Zwillinge Weasley hecken Schülerstreiche aus. Hausmeister Filch führt einen Kleinkrieg gegen die Schüler/innen; Draco Malfoy ist immer noch blond, blass und sehr fies während Direktor Dumbledore mit Milde und schier endloser Umsicht regiert; Zaubertranklehrer Severus Snape zeigt sich düster und verschlagen, Patenonkel Sirius Black befindet sich auf der Flucht, und die Grenzen zwischen Gut und Böse sind, denn das ist schließlich immer noch ein Stoff aus der Kinderbuchabteilung, fein säuberlich gezogen.
Herausforderungen der filmische Adaption
Trotzdem: Fast jede Literaturverfilmung hat damit zu kämpfen, dass eine Fülle an Nebenhandlungen zugunsten einer stringenten Erzählung verdichtet werden muss und dabei viele Anekdoten aus dem Roman auf der Strecke bleiben. Das gilt umso mehr für
Harry Potter und der Orden des Phönix, den umfangreichsten der Rowling-Romane, der mit einer Länge von 138 Minuten ausgerechnet zum bislang kürzesten Potter-Film geraten ist. So verzichtet die Verfilmung beispielsweise komplett auf Hermines Bemühungen, die Hauselfen von ihrem Sklavendasein zu befreien; auch das beliebte Quidditch-Spiel ist den Kürzungen zum Opfer gefallen. Folglich bleiben auch die Nebenfiguren ein wenig blass: Darunter leidet vor allem die erstmals eingeführte Luna Lovegood, ein junges Mädchen, das zwar einige geheimnisvolle Auftritte hat, aber auf ihre seltsamen Accessoires aus den Büchern – Radieschenohrringe, Gespensterbrille und ein Halsband aus Butterbierkorken – verzichten muss.
Vertrautheit der Serie
Statt ernsthafte Konkurrenz für das Hauptfigurentrio Harry, Ron und Hermine zu entwickeln, setzt auch
Harry Potter und der Orden des Phönix auf bewährte Erzählmuster. Womöglich ist diese Wiederkehr des ewig Gleichen dafür verantwortlich, dass auch die neueste Folge – trotz aller Schauwerte, großem filmischem Aufwand, ausufernder Computeranimation und der abschließenden 3-D-Sequenz – bisweilen wie eine Pflichtübung und wenig aufregend wirkt. Doch die auf Vertrautheit setzenden Serien-Qualitäten sollen gerade bei der meist jugendlichen Zielgruppe zum nächsten großen Erfolg führen. Im September beginnen die Dreharbeiten für das Sequel
Harry Potter und der Halbblutprinz, der 2008 in die Kinos kommen soll, wieder unter der Regie von David Yates. Auch die Verfilmung von Harry
Potter and the Deathly Hallows, dem demnächst erscheinenden, siebten und letzten Teil der Buch-Reihe, steht schon lange fest. Die drei Hauptdarsteller/innen Daniel Radcliffe, Rupert Grint and Emma Watson haben im März die entsprechenden Verträge unterschrieben. Dann allerdings ist das Ende der Potter-Serie in Sicht – höchstwahrscheinlich. Vielleicht aber befällt J.K. Rowling eine plötzliche Sehnsucht nach ihren altvertrauten Charakteren und sie schreibt doch noch einen achten Teil. Auch dieser würde mit Sicherheit sein dankbares Publikum finden. Das ist schließlich das Gesetz des Sequels.
Autor/in: Thomas Winkler, 10.07.2007