Bildungsrelevant, weil das Filmdrama eindrucksvoll von weiblicher Selbstermächtigung in der patriarchalischen Gesellschaft Marokkos erzählt.

Die Geschichte: Eine Frau kämpft um ein selbstbestimmtes Leben

In der marokkanischen Provinz verdient Touda ihren Lebensunterhalt als Sängerin auf Hochzeiten und Dorffesten. Oft sieht sie sich dabei mit sexuellen Übergriffen durch Männer konfrontiert. Doch Touda, die nicht lesen und schreiben kann, nimmt das in Kauf, weil sie als alleinerziehende Mutter für ihren gehörlosen neunjährigen Sohn Yassine sorgen muss. Trotz ihrer schwierigen Situation hat Touda ehrgeizige Pläne: Um Yassine Bildung zu ermöglichen, sucht sie für ihn eine Förderschule. Außerdem träumt sie davon, als Shikhat Karriere zu machen – Aïtas zu singen: traditionelle Lieder über Freiheit, Liebe und Widerstand, deren Interpretinnen in Marokko einst berühmt waren. Als sie erkennt, dass sie ihren Zielen nicht näherkommt, wagt sie den Sprung nach Casablanca. Doch die Hürden für eine professionelle Sängerin sind auch in der schillernden Metropole höher als erwartet.

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Filmische Umsetzung: Fokus auf die Heldin

Nabil Ayouchs "Alle lieben Touda" kommt mit nur wenigen Dialogen aus. Dafür bietet das Frauenporträt des renommierten französisch-marokkanischen Zum Inhalt: Regisseurs eine große Bandbreite von Musikeinlagen, die von fröhlichen Schlagern bis zu den meist melancholischen Aïtas reicht. Die Titelheldin steht nicht nur in diesen Tanz- und Gesangsauftritten stets im Mittelpunkt: Konsequent erzählt der Film das Geschehen aus ihrer Sicht. Die Schauspielerin Nisrin Erradi macht dabei die Freiheitsliebe und Resilienz, aber auch die Verletzlichkeit der Sängerin nachvollziehbar, ohne ins Melodramatische zu verfallen. Unterstützt wird sie von einer sehr beweglichen Kamera (Glossar: Zum Inhalt: Kamerabewegungen), die Toudas Seelenzustände in einfühlsamen Nahaufnahmen (Glossar: Zum Inhalt: Einstellungsgrößen) erkundet oder ihre einsamen Wege etwa durch die quirligen nächtlichen Straßen der Millionenstadt in atmosphärischen Totalen einfängt. Der Film endet mit einer eleganten achtminütigen Zum Inhalt: Plansequenz, in der Touda aus der Euphorie in die Desillusion stürzt, aber am Ende unter Tränen lächelt.

Thema: Widerstand gegen das Patriarchat

"Alle lieben Touda" zeichnet das Porträt einer jungen Frau, deren Ringen nach Unabhängigkeit in der patriarchalisch strukturierten Gesellschaft einem einsamen Kampf gleicht. Egal, ob auf dem Land oder in der Stadt – auf Toudas sinnlich-selbstbewussten Tanz und Gesang reagieren die Männer meist übergriffig oder sogar mit brutaler Gewalt. In der drastischen Anfangssequenz (Glossar: Zum Inhalt: Sequenz) wird sie nach einer ausgelassenen Feier in einem Wald vergewaltigt. Als Touda später in Casablanca in einem Luxushotel als Shikhat begeistert, bietet ihr ein reicher Gast Geld für Sex an. Bemerkenswerterweise fokussiert der Film Touda gleichwohl weniger als Opfer, sondern betont vielmehr ihre Stärke und Zähigkeit – Eigenschaften, die sie auch Yassine vermittelt, indem sie ihm zeigt, wie er sich gegen das Mobbing in der Schule wehren kann.

3 Fragen für ein Filmgespräch:

  • Was wusstet Ihr über Marokko, bevor Ihr den Film gesehen habt? Inwieweit hat Euch das Bild, dass der Film von dem Land entwirft, überrascht?

  • Warum ist es für Touda so wichtig, als Shikhat anerkannt zu werden? Auf welche Widerstände stößt sie dabei? Was sagen die sexuellen Übergriffe, denen Touda als Sängerin ausgesetzt ist, über die Macht- und Geschlechterverhältnisse in der Gesellschaft aus?

  • Toudas Sohn Yassine nimmt eine wichtige Nebenrolle im Film ein. Wie ist das Verhältnis zu seiner Mutter charakterisiert?

Der Text ist lizenziert nach der Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivs 3.0 Germany License.

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