Bei ihrer Arbeit in einer Waggonfabrik in Halle/Saale bricht die Lehramtsstudentin Rita Seidel plötzlich zusammen. Zur Erholung kehrt sie in ihr
Heimatdorf unweit der Stadt zurück. Dort werden Erinnerungen an die vergangenen zwei Jahre wach: Bei einer Tanzveranstaltung lernt sie damals den zehn Jahre älteren Chemiker Manfred kennen, der gerade an seiner Dissertation schreibt. Trotz seiner akademischen Karriere wirkt der Doktorand unzufrieden mit der politischen Situation in der DDR und seinem eigenen Leben. Insbesondere das Verhältnis zu seinem Vater ist angespannt. Manfred nimmt ihm die Wandlung vom ehemaligen Nationalsozialisten zu einem Funktionär der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) nicht ab: "Ziemlich viel Verantwortung als Werkleiter, wie?", fragt er seinen Vater, der entgegnet, dass man sich daran gewöhne. "Na klar, wie an alles in der Geschichte", erwidert der Sohn sarkastisch. Nachdem ein von Manfred entwickeltes chemisches Verfahren ohne Begründung von der Betriebsleitung abgelehnt wird, verlässt er noch kurz vor dem Bau der Mauer die DDR und geht nach West-Berlin. Dort besucht Rita ihn, doch sie fühlt sich in der Stadt fremd und kehrt nach Halle zurück.
Christa Wolf
adaptierte ihre gleichnamige Erzählung und schrieb das
Drehbuch gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Autor Gerhard Wolf, sowie mit Regisseur Konrad Wolf, Dramaturg Kurt Barthel und dem Regie-Assistenten Willi Brückner. Der Alltag in der DDR wird mit seinen zahlreichen Widersprüchen ungeschönt dargestellt. Die Figur von Manfreds Vater repräsentiert die unzureichende Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit. Manfred verzweifelt als fachlich progressiver Wissenschaftler an der Sturheit der Partei-Funktionäre, während Rita bei ihrer Arbeit in der Waggonfabrik mit den Missständen der Planwirtschaft konfrontiert wird. Die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse wirken sich schließlich auch auf das Privatleben, insbesondere auf die Beziehung von Rita und Manfred, aus. Das Auf und Ab der Figuren zwischen dem privaten Streben nach Glück und der Reibung an den gesellschaftspolitischen Verhältnissen spiegelt sich unter anderem in der
Montage mit zahlreichen
Rückblenden und Zeitsprüngen wider. Dialoge enden abrupt oder die
Tonspur einer
Szene läuft trotz des Bildschnitts weiter. Die innere Zerrissenheit der Figuren deutet sich bereits in der
Exposition an, als zur
Musik von "Ich hab' die Nacht geträumet" unterschiedliche Zeitebenen montiert werden.
Im Deutschunterricht kann neben dem Vergleich mit der literarischen Vorlage insbesondere die Figurenzeichnung der Protagonistin Rita untersucht werden. In der DDR wurde kritisiert, dass Regisseur Konrad Wolf die Figur Ritas als zu passiv angelegt habe, so dass sie Manfred politisch nichts entgegensetzen könne. In diesem Zusammenhang kann – fächerübergreifend – die Rezeptionsgeschichte des Spielfilms untersucht werden. Nach anfänglich überwiegend positiven Rezensionen in beiden deutschen Staaten wurde der Film in der DDR zunehmend kritisiert. Von den Film-Verboten, die im Nachklang des 11. Plenums des Zentralkomitees der SED 1965 – dem sogenannten Kahlschlag-Plenum – beschlossen wurden, war
Der geteilte Himmel offiziell nicht betroffen. Dennoch verschwand er daraufhin aus den meisten Kinos. Erst 1982 lief der Film das erste Mal im DDR-Fernsehen. Neben dem Fokus auf inhaltliche Aspekte, sollten jedoch auch das Sujet und die filmästhetischen Mittel thematisiert werden, die sich an der französischen Nouvelle Vague und der tschechoslowakischen Neuen Welle orientieren.
Arbeitsblatt zu Der geteilte Himmel (DDR 1964, Regie: Konrad Wolf)
Fach: Deutsch ab Oberstufe, ab 16 Jahren
Vor der Filmsichtung:
a) Die 19-jährige Rita lernt beim Tanzen den zehn Jahre älteren Manfred kennen. Sie steht kurz vor dem Beginn des Lehramts-Studiums in Halle an der Saale, während sich Manfred auf die Fertigstellung seiner Chemie-Dissertation vorbereitet. Rita zieht zu ihrem Freund, der noch bei seinen Eltern wohnt und überbrückt die Wartezeit auf den Studienbeginn mit einer Tätigkeit in einer Waggon-Fabrik.
Sehen Sie sich die folgende
Sequenz an, in der Rita mit Manfreds Eltern zu Abend isst und ihre Nebentätigkeit aufnimmt. Achten Sie auf Ritas Redeanteil beim Abendessen, in der Fabrik und beim Spaziergang mit Manfred. Charakterisieren Sie anschließend Rita und fassen Sie zusammen, was Sie über Manfreds Verhältnis zu seinen Eltern erfahren. Benennen Sie anhand der
Schauplätze und der
Kostüme die Zeit der Handlung.
Der getilte Himmel, Szene (© Icestorm Entertainment GmbH)
b) Manfred sagt in Bezug auf das Haus seiner Eltern, dass er in einem "Lebenssarg" wohne. Interpretieren Sie die Bedeutung der Metapher.
Während der Filmsichtung:
c) Achten Sie arbeitsteilig auf die Figurenzeichnung von Rita und Manfred sowie auf exemplarische filmästhetische Mittel, die Regisseur Konrad Wolf wählt (beispielsweise Kameraarbeit,
Montage, Schauplätze und
Musik). Halten Sie Ihre Eindrücke unmittelbar nach der Sichtung stichpunkartig fest.
Nach der Filmsichtung:
d) Tauschen Sie sich im Plenum über Ihre Sichtungseindrücke aus und vergleichen Sie Ihre Ergebnisse aus Aufgabe c).
e) Auf dem VI. Parteitag der SED 1963 und der
2. Bitterfeld Konferenz 1964 wurde der Begriff der "sozialistischen Nationalkultur" in den Vordergrund gerückt. Filmemacher/-innen sollten bedeutende gesellschaftspolitische Prozesse thematisieren und "sozialistische Persönlichkeiten" als Protagonist/-innen wählen. Diskutieren Sie basierend auf Ihren Ergebnissen aus der Aufgabe c), inwieweit Rita und Manfred diesen sozialistischen Persönlichkeiten entsprechen.
f) Regisseur Konrad Wolf wurde nach der Premiere im September 1964 mit dem Vorwurf konfrontiert, dass die Figur Ritas zu passiv sei. Er sagte: "Und mir scheint Rita deshalb so sympathisch, weil sie nicht gleich sofort mit der Faust auf den Tisch haut. Sondern weil sie erst mit sich selbst ringt, weil sie alles abwägt, um dann auch aktiv zu sein. Es ist eine Unterstellung, dass Rita passiv wäre." Stellen Sie Vermutungen auf, wie der Film in der DDR nach seiner Uraufführung 1964 und den drauffolgenden Jahren rezipiert wurde.
g) Diskutieren Sie basierend auf ihrem historischen Hintergrundwissen im Plenum, inwieweit Manfreds Umschreibung seines elterlichen Zuhauses als "Lebenssarg" als Allegorie für die DDR verstanden werden kann.
h) Lesen Sie sich arbeitsteilig die Artikel
Filme aus Tschechien und
Nouvelle Vague – Kino in der ersten Person Singular und arbeiten Sie heraus, inwieweit diese beiden Bewegungen Einfluss auf die Filmästhetik von
Der geteilte Himmel gehabt haben könnten.
Autor/in: Ronald Ehlert-Klein, 10.02.2021
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