"Warum hast du ihn geköpft? Er sollte dich doch beißen!" Regisseur Rémi ist völlig verzweifelt, denn seine Darstellerin versteht offenbar nicht, was sie tun soll. Überhaupt läuft wenig nach Plan bei dem Dreh für seinen Low-Budget-Zombiefilm. Absolut authentische Emotionen erwartet er und deshalb versucht er unnachgiebig, das Äußerste aus den Schauspieler/-innen herauszuholen. Als echte Untote auf dem
Set, einem offenbar schon lange leerstehenden Gebäude, erscheinen, wird der
Horrorfilm von seiner eigenen Fiktion heimgesucht und endet nach ungefähr einer halben Stunde dramatisch. Während das Publikum die Eindrücke noch verarbeitet, schafft ein zweiter Filmteil Klarheit. Rémi wurde von einer eigenwilligen japanischen Produzentin als Regisseur für einen Zombiefilm engagiert. Wichtigste Bedingung: Der Film soll in einer einzigen, fortlaufenden Einstellung gedreht werden. Der dritte Teil erzählt die Ereignisse von Beginn des Films noch einmal, jedoch mit einem Blick hinter die Kulissen als eine Art Making-of. Daraus entstehen zahlreiche komische Effekte, mit denen die groteske Grundstimmung vertieft wird.
Final Cut of the Dead von Michel Hazanavicius (
The Artist, FR 2011) ist das
Remake eines japanischen Kultfilms aus dem Jahr 2017:
One Cut of the Dead von Shinichiro Ueda. Der Begriff "One Cut" deutet an, worum es in der Vorlage und in der französischen Neuauflage vor allem geht: Ein Film in "einem Schnitt" verzichtet auf eines der wichtigsten filmischen Mittel, nämlich auf die
Montage. Es gibt in der Filmgeschichte einige Beispiele für diese virtuose Übung, ein Geschehen – tatsächlich wie in
Victoria (DE 2015) von Sebastian Schipper oder scheinbar wie in Alfred Hitchcocks
Cocktail für eine Leiche (
Rope, USA 1948) – in einer einzigen Einstellung durchlaufen zu lassen.
Final Cut of the Dead spielt dabei mit den Ebenen des Filmemachens: Der erste Teil ist bewusst "schlecht gemacht", im dritten Teil erweist sich die erste halbe Stunde allerdings als Triumph eines genial improvisierten, aber auch chaotischen Kollektivprozesses, der immer wieder mit Mitteln des
Slapsticks doch noch die Kurve kriegt. Die Zombie-Mythologie ist für
Final Cut of the Dead eher nur eine beliebige Ingredienz; die Idee ließe sich mit anderen geläufigen Motiven der Filmgeschichte – etwa Vampiren – ebenso umsetzen.
Die Film-im-Film-Geschichte von
Final Cut of the Dead ermöglicht es, Facetten des filmischen Mediums im Sprach- oder Kunstunterricht auf unterhaltsame Weise zu vermitteln. So kann man anhand der Figuren aufzeigen, welche verschiedenen Aufgaben bei einem Filmdreh entstehen: von der Kameraführung über das
Maskenbild bis zu diversen kleineren Handreichungen. Dabei bietet es sich an, die Fachbegriffe in einer Art Vokabelliste zu sammeln und zu übersetzen, denn oft sind die englischen Termini fast geläufiger als die deutschen.
Final Cut of the Dead gibt zudem Gelegenheit, sich mit dem Thema Filmmontage zu beschäftigen, die die Verbindung von
Szenen und Einstellungen bestimmt. Im Film soll Regisseur Rémi jedoch einen 30-minütigen Film ohne jeglichen Schnitt realisieren. Davon ausgehend kann diskutiert werden, wie ein Film wirkt, der in Form einer langen
Plansequenz gedreht wurde. Hierbei bieten sich auch praktische Übungen an, bei denen die Schüler/-innen eine vorgegebene Situation mit der Handykamera in nur einer Einstellung filmisch auflösen. Hinterfragt werden kann zudem, warum es im Kino (und nicht zuletzt in Hollywood) so viele Remakes gibt: Ist dies ein Zeichen von fehlender Originalität, oder zeigt sich hier ein fundamentales Merkmal von Kultur (man denke an antike Mythen von damals bis heute)?
Autor/in: Bert Rebhandl, 16.02.2023
Mehr zum Thema auf kinofenster.de:
Weitere Texte finden Sie mit unserer Suchfunktion.