"Wir befinden uns an einem geheimen Ort und befragen James Osterberg über The Stooges, die größte Rock'n'Roll-Band aller Zeiten." Jim Jarmuschs Dokumentarfilm ist unzweifelhaft eine Hommage an die einflussreichen Wegbereiter des Punk. Die Band um Sänger Iggy Pop (bürgerlich: James Osterberg), die Brüder Ron und Scott Asheton sowie ihren Jugendfreund Dave Alexander gründete sich 1967 in der Nähe von Detroit und erlangte einen zweifelhaften Ruf: Sie würden ihre Instrumente nicht beherrschen, wiegelten auf Konzerten das Publikum auf und seien generell unberechenbar. Gemeinsam mit den befreundeten MC5 spielten The Stooges einen seinerzeit verstörend harten, minimalistischen Gitarrenrock, der auch von Blues- und Jazz-Elementen beeinflusst war. Ebenso prägend wie ihre
Musik war die radikale Verweigerungshaltung der Gruppe, die dem konservativen Establishment der Nixon-Jahre wie auch den Hippie-Träumen gleichermaßen eine Absage erteilte.
Talking Heads-Interviews mit der Band, vor allem aber mit Iggy Pop, der mal in einem Wohnmobil, mal auf einem goldenen Thron sitzt, bilden den narrativen Fixpunkt in
Gimme Danger. Weitgehend chronologisch erzählt Iggy vom Aufwachsen in bescheidenen Verhältnissen, der Bandgründung inmitten der Studentenproteste, dem musikalischen Konzept der Gruppe und ihrem selbstzerstörerischen Niedergang. Durch die
Montage versucht Jarmusch die langen Interview-
Sequenzen auch visuell interessant zu gestalten, etwa wenn er mit
Bildstörungen die Schilderung eines Drogenrauschs illustriert. Zum anderen greift er auf Archivmaterial von Live-Auftritten zurück, visualisiert Iggys Anekdoten mit
Animationen im Stil von "Beavis und Butthead" oder fügt assoziativ Clips aus Spielfilmen und TV-Shows ein, die das Gesagte kommentieren. So stehen hechelnde Spürhunde in einer
Filmszene metaphorisch für das raumgreifende Gitarrenspiel von James Williamson.
Wie der Film als Hommage beginnt, so endet er auch mit einer Würdigung:
Textinserts listen unzählige Bands auf, die The Stooges gecovert oder sich anderweitig auf sie bezogen haben, darunter die Sex Pistols, Sonic Youth oder die Red Hot Chili Peppers. Ausgehend von diesem Referenzrahmen kann im Musikunterricht die Bedeutung der Band für die Rockgeschichte untersucht werden. Nach nur mäßigen Erfolgen bis zu ihrer Auflösung 1974 kopierten später tausende Punk-Bands den blechern-verzerrten Sound, das betont dilettantische Auftreten und die rücksichtslose Bühnenperformance von Iggy Pop, der selbst heute noch im Alter von 70 Jahren oberkörperfrei ins Publikum springt. Im politischen Kontext der 1960er- und 70er-Jahre bietet zudem die Anti-Haltung der Stooges (engl. für Ja-Sager) Diskussionsstoff, etwa der Satz: "I don’t want to be punk, I just want to be." Genreübergreifend können Schülerinnen und Schüler zum Vergleich auch heutige Bands und Künstler/-innen vorstellen, die ähnlich wie die Stooges mit dem Versprechen kompromissloser Authentizität auftreten.
Autor/in: Jan-Philipp Kohlmann, 20.04.2017
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