Raphael, Gardo und Rato arbeiten als Müllsammler auf einer riesigen Abfallhalde vor den Toren Rio de Janeiros. Als sie eine weggeworfene Geldbörse finden, beginnt für die Jungen ein großes Abenteuer. Ihr Inhalt – ein Zettel mit rätselhaften Ziffernkombinationen und ein Schließfachschlüssel – birgt Indizien für einen Bestechungsskandal auf höchster politischer Ebene. Weil die korrupte, im Auftrag eines mächtigen Politikers agierende Polizei kein Mittel scheut, die Aufdeckung zu verhindern, geraten die drei immer wieder in Lebensgefahr. Dank trickreicher Fantasie, Mut und vor allem dank ihres Zusammenhalts gelingt es ihnen dennoch, dem korrupten Polizisten Frederico ein Schnippchen zu schlagen und den Menschen in ihrer Siedlung wieder ein wenig Hoffnung zu spenden.
Trash, Szene (© Universal Pictures)
Stephen Daldrys
Romanverfilmung liefert spannende Unterhaltung vor einer erschütternden Kulisse aus Armut und menschlichem Elend – wie im klassischen Märchen schließt sich in
Trash beides nicht aus. In der Darstellung der brasilianischen Slums gehen ein drastischer Realismus und Elemente stilistischer Überhöhung Hand in Hand: Eine pointierte Lichtsetzung in Nachtszenen etwa verschafft den jungen Protagonisten eine Art Heiligenschein. Vorbilder wie
City of God und
Slumdog Millionär sind in der expressiven Farbdramaturgie klar erkennbar. Das gilt ebenso für die ambitionierte Erzählstruktur, die mit rasanten
Rückblenden und
Parallelmontagen die Vorgeschichte der Geldbörse nachliefert oder sogar Ereignisse vorwegnimmt. Der entscheidende Reiz des Films liegt jedoch in der unbändigen Energie der drei Hauptfiguren, gespielt von hervorragenden Laiendarstellern. Dagegen wirken die Hollywood-Stars Martin Sheen und Rooney Mara – in den Rollen eines katholischen Priesters und einer Entwicklungshelferin – eher wie Staffage.
Die realen Arbeits- und Lebensbedingungen brasilianischer Müllsammler waren bereits Gegenstand der Kunstdokumentation
Waste Land. Der häufig gehörte Vorbehalt gegenüber Produktionen aus westlichen Filmindustrien, die Armut in den Ländern des globalen Südens auszuschlachten und in glamourösen Bildern zu verharmlosen, kann auch anhand von
Trash diskutiert werden. Hier bietet sich ein Vergleich mit Andy Mulligans Romanvorlage an, deren Erzählperspektive zwischen den drei Jungen wechselt. Neben den teils desaströsen Lebensumständen in den Favelas und der weit verbreiteten Korruption in der brasilianischen Politik sollte aber auch auf die visuelle und akustische Filmgestaltung – schnelle Schnitte, brasilianische Sambarhythmen in den zahllosen Verfolgungsjagden – eingegangen werden. Welche erzählerischen Mittel machen das ernste Thema – trotz vereinzelter Gewaltdarstellungen – zu einem spannenden und sogar humorvollen Abenteuerfilm für Jugendliche? Auch zu klassischen Kindheits- und Armutsdarstellungen von Charles Dickens bis Charlie Chaplin bietet der Film zahlreiche Anknüpfungspunkte.
Autor/in: Philip Bühler, 18.06.2015
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