Wichtiger Hinweis:

Hinweis für Lehrer/-innen: Der Film "Close" erzählt von einer Jungenfreundschaft, die zu einem unwiderruflichen Ende kommt, als sich einer der beiden Teenager das Leben nimmt. kinofenster.de empfiehlt den Film (FSK 12) aufgrund dieser sensiblen Thematik für den Unterricht ab der 10. Klasse. Allerdings liegt es in Ihrem Ermessen, ob der Film für Ihre jeweilige Lerngruppe geeignet ist. Grundsätzlich empfiehlt es sich, den Film vor der Sichtung und dem Einsatz im Unterricht anzuschauen und dann zu entscheiden.

Zu Beginn des Films ist es Sommer. Die beiden besten Freunde Léo und Rémi genießen die letzten Ferientage in ihrem flämischen Heimatdort (Glossar: Zum Inhalt: Drehort/Set), bevor sie auf die weiterführende Schule wechseln. Sie streifen durch die Felder der Blumenfarm von Léos Familie, entwischen den Schurken ihrer Fantasiegeschichten und albern mit Rémis Mutter herum, die Léo wie ein eigenes Kind behandelt. Wie so oft übernachtet Léo bei Rémi. Doch heute kann Rémi nicht schlafen. Sein Kopf hört nicht auf, zu denken. Also erzählt ihm Léo die Geschichte vom schönen Entlein. Es ist genauso besonders wie sein ungleicher Freund, die Echse. Zusammen springen sie auf einem Trampolin bis zu den Sternen. Verschieden sind auch Léo und Rémi: Der eine ist blond und sportlich, der andere ist dunkelhaarig und spielt Oboe. Dennoch sind sie unzertrennlich, was der Filmtitel "Close" bereits nahelegt. Wie immer schlafen die Jungs eng aneinandergeschmiegt ein.

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Freundschaft im Umbruch zwischen Kindheit und Jugend

Auf dem Weg in die Schule mischen sich unter das Lachen der Freunde neue Töne und Farben. Dass der nächste Lebensabschnitt für die beiden 13-Jährigen den Abschied von ihrer zweisamen Kindheit einläutet, deutet die Bild- (Glossar: Zum Inhalt: Bildkomposition) und Zum Inhalt: Tongestaltung bereits an, bevor die Protagonisten es selbst bemerken. Die goldene Sommersonne der ersten von Flötenklängen untermalten Zum Inhalt: Szenen und die bunt blühenden Felder weichen herbstlicherem Braun und Grün (Glossar: Zum Inhalt: Farbgebung), die Zum Inhalt: Filmmusik wird schwermütiger. Weitere Details zeugen von Veränderung: Die Kamera entfernt sich erstmals von den Jungen und filmt sie inmitten anderer Kinder in Halbtotalen und Totalen (Glossar: Zum Inhalt: Einstellungsgrößen) auf dem Pausenhof. Unbedarft legt Léo in der Klasse seinen Kopf auf Rémis Schulter. Später wollen ein paar Mädchen wissen: "Seid ihr zusammen?"

Die Frage löst einen Konflikt zwischen den Jungen aus. Während Rémi sich offenbar unbeeindruckt von der Wahrnehmung anderer zeigt, passt Léo sich an das von konventionellen Männlichkeitsbildern geprägte Schulumfeld an – womöglich aus Angst vor Mobbing oder Ausgrenzung: Er spielt Fußball, tritt in eine Eishockeymannschaft ein und rollt sich weg, als Rémi ihm seinen Kopf auf den Bauch legt. Waren sie anfangs noch im Einklang, ringen sie nun miteinander, schlafen nicht mehr in einem Bett und das tägliche Fahrradrennen zur Schule kippt vom Spiel in einen weiteren Akt der Distanznahme, als Léo eines Tages den Bruch riskiert und allein zur Schule radelt.

Zeigen, nicht erklären

Basierend auf eigenen Erfahrungen sowie den Untersuchungen der US-amerikanischen Psychologin Niobe Way, die eine abnehmende Offenheit in Jungenfreundschaften ab dem Alter von 13 Jahren festgestellt hat (Deep Secrets, 2013), inszeniert der belgische Regisseur Lukas Dhont ("Girl" , BE 2018) das Drama um Léo und Rémi als Choreografie von Gesten, Blicken und Handlungen. Die ausdrucksstarken Bilder zeigen, was die beiden Freunde entzweit, ohne dass sie viele Worten wechseln. Vielmehr stellt sich – vor allem bei Léo – eine bezeichnende Sprachlosigkeit ein, die den Übergang von kindlicher Vertrautheit zu jugendlicher Entfremdung kennzeichnet. Léos Perspektive gewinnt im Film an Bedeutung, während Rémi mit seiner zärtlichen Zugneigung, seinen Nachfragen und Tränen in den Hintergrund rückt. Sein Oboe-Konzert, dem Léo noch aufmerksam folgt, wirkt wie eine Erinnerung an ihre einstige Nähe. Eine Zum Inhalt: Montagesequenz von Léos Routinen zwischen Feldarbeit, Schule und Eishockeytraining verdeutlicht, dass Rémi irgendwann nicht mehr in seinem Alltag vorkommt. Die Blüten des letzten Kindheitssommers sind zu diesem Zeitpunkt abgeerntet und Léo gräbt die Zwiebeln für den Winter aus dem Boden.

Vom Drama zur Tragödie

Eines Tages heißt es bei einem Schulausflug ans Meer, Rémi sei heute nicht dabei. Erneut deuten Landschaft und Farbgebung einen unheilvollen Wendepunkt an. Im fahlen Licht (Glossar: Zum Inhalt: Licht und Lichtgestaltung) und in dunklen Jacken (Glossar: Zum Inhalt: Kostüm/Kostümbild) tollt die Klasse an einem leeren Strand herum. Zurück in der Schule warten die Eltern auf ihre Kinder. Etwas Schreckliches ist passiert: Rémi hat sich das Leben genommen. Das Zum Inhalt: Coming-of-Age-Drama gerät zu einer Tragödie, für die es keine Erklärung gibt. Spür- und sichtbar werden die Leere und die quälenden Fragen nach dem Warum, die Rémis unbegreiflicher Tod hinterlässt, wie auch die Trauer von Léo und Rémis Eltern. Nach der Veränderung der Freundschaft in der ersten Filmhälfte, die mit dem Verlust des Freundes abrupt endet, handelt die zweite Filmhälfte von Léos Weiterleben ohne Rémi.

Von der verzweifelten Fahrradfahrt allein durch die karge winterliche Landschaft nach Hause, über die tagtägliche Normalität zwischen Familienfarm, Training und Schule bis hin zu schlaglichthaften Etappen der Konfrontation mit dem Geschehenen – der Beerdigung, das herausfordernde Wiedersehen mit Rémis Eltern, Gesprächsrunden in der Schule – erzählt Dhont weiterhin visuell und behutsam: durch Großaufnahmen, die die Gefühlswelten von Léo und Rémis Mutter offenlegen, durch das metaphorische Durchlaufen der Jahreszeiten, durch bewusste Stille und melancholische Filmmusik. Die Stärke von "Close" ist es, sich auf Léos Sicht zu konzentrieren: Seine Wahrnehmung und Emotionen werden nachvollziehbar. Offenkundig ist, dass er sich verantwortlich sieht – ein Gefühl, das viel zu schwer auf dem Jungen lastet. Das Eingestehen seiner Schuldgefühle vor Rémis Mutter und die Annäherung beider mögen ihren Trauerprozess parallel zum Aufblühen des Sommers voranbringen. Rémis Tod bleibt indessen unerklärbar. Für ein größeres Bild muss das Publikum über den Film hinausdenken.

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