Von seinem Zimmerfenster aus beobachtet Tony, wie draußen langsam die Schneeflocken vom Himmel fallen. Die Welt wirkt still, der Innenhof des mehrstöckigen grauen Mietshauses, in dem er mit seinen Eltern lebt, sieht trist aus – und Tony ist einsam. Er sehnt sich nach einem Freund oder einer Freundin. Aber bislang wird Tony immer nur gehänselt, weil er so anders aussieht. Denn Tony leuchtet am ganzen Körper, ein inneres Licht strahlt aus seinem Körper. Tony ist das peinlich. Deshalb versteckt er sich meistens hinter Masken. Mal stülpt er sich einen Karton mit einem Löwengesicht über den Kopf, mal einen flauschigen Kükenkopf. Auch seinen Eltern ist Tony irgendwie unheimlich. Damit er sich nicht zu weit von der Wohnung entfernt, wird er deshalb angeleint. Und das schon seit elf Jahren. Ein trostloser Alltag. Zumindest so lange, bis die gleichaltrige Shelly mit ihrer Mutter in das Mietshaus zieht.

Von Anfang an spürt Tony, dass auch Shelly irgendwie besonders ist. Wenn sie mit ihrer Taschenlampe leuchtet, wird die Welt in dem Lichtkegel eine andere. Bunte Blumen erscheinen, wo vorher nur graues Einerlei war, oder ein ganzes Zimmer verwandelt sich im Handumdrehen in eine aufregende Unterwasserwelt. Tony kann all das sehen und ist fasziniert. Und Shelly macht keinen Bogen um Tony. Sie mag sein Leuchten. Mit ihr hat Tony auf einmal eine Verbündete inmitten des von griesgrämigen Menschen bewohnten Hauses, in dem auch noch eine andere Kreatur lebt. Ein Geist, der sich von Licht ernährt und dadurch alles noch dunkler werden lässt.

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Verschränkung der Ebenen: Kindliche Magie und grauer Alltag im Mietshaus

Der Zum Inhalt: Animationsfilm T"ony, Shelly und das magische Licht " führt in eine klar umschlossene Welt, in der das Fantastische, das Märchenhafte und das Alltägliche eng miteinander verwoben sind. So beschäftigen Tony und Shelly Wünsche und Sorgen, die viele Kinder auch aus ihrem eigenen Alltag kennen. Sie wollen akzeptiert werden, wie sie sind, sie wollen, dass man ihnen zuhört und sich für sie interessiert, sie wollen den Freiraum haben, ihre Umwelt selbst zu entdecken, und trotzdem Rückhalt zu Hause. Weil die Eltern von Tony und Shelly zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind – Tonys Mutter und Vater werden durch die jüngeren Geschwister Tag und Nacht in Anspruch genommen, Shellys Mutter kommt nicht damit klar, dass ihre Zeit als Profi-Ballerina vorbei ist –, sind die Kinder auf sich allein gestellt.

Doch anstatt einem sozialrealistischen Ansatz zu folgen, wie es etwa Claude Barras in seinem Puppen-Animationsfilm Zum Inhalt: Mein Leben als Zucchini (FR/CH 2016) tut, bricht Filip Pošivač in seinem Debütfilm die bedrückende Realität immer wieder auf. Schon der leuchtende Tony (Glossar: Zum Inhalt: Lichtgestaltung) erinnert vielmehr an ein magisches Wesen, auch wenn er sich wie ein normaler Junge verhält, und auch der auf den ersten Blick so grummelige Hausmeister hat etwas Übermenschliches an sich: Auf seinem Rücken wachsen Blumen, erst nur eine einzige, dann immer mehr. Solch kleine Abweichungen vom Bekannten und Erwartbaren sind es, die im Film Leben und eine überraschende Wärme in die Dunkelheit bringen.

"Tony, Shelly und das magische Licht" spielt auch in anderer Hinsicht mit Erwartungen. Der Geist, eine schwarze, wurmförmige Gestalt, ist hier keineswegs ein Monster. Furchteinflößend und unheimlich zwar, aber eben auch weit weniger bedrohlich, als zunächst angenommen, wozu sicherlich auch seine plüschige Gestaltung beiträgt. Je mehr Tony und Shelly über das Wesen erfahren, desto mehr beginnen sie es zu verstehen – vor allem, als ihnen bewusst wird, dass der Geist umso größer wird, je mehr sich die Menschen im Haus beschimpfen und je gemeiner sie miteinander umgehen. Ab diesem Zeitpunkt wissen sie, wie sie den Geist, der manchmal auch nur in kleinen schwarzen Wölkchen um die Menschen herumschwirrt, besänftigen können.

Licht und Hoffnung gegen die Gefühlskälte

Metaphorisch, aber auch ganz bildlich erzählt "Tony, Shelly und das magische Licht" darüber, wie Zwietracht und Missgunst, Egoismus und Arroganz, Selbstbezogenheit und die Unfähigkeit, sich für andere zu interessieren, das Miteinander in einem Mikrokosmos vergiften. Dieser Gefühlskälte setzen Tony, Shelly und der Hausmeister Hoffnung entgegen, durch Licht, Fantasie oder Pflanzen. So verändert Tonys inneres Leuchten schließlich seine Umgebung. Nach und nach kommt wieder Farbe in das Mehrfamilienhaus und macht es zu einem Ort, an dem man gerne lebt.

Die Technik des handgemachten Puppentricks (Glossar: Zum Inhalt: Animationstechniken) steht dabei ganz in der Tradition des tschechoslowakischen Animationsfilms, die von Regisseuren wie Jiří Trnka geprägt wurde, und strahlt selbst die Freude der Filmemacher/-innen aus, an sich leblose Objekte mit Leben und Charakter zu füllen und eine Miniaturwelt zu erschaffen, die zugleich fantasievoll als auch echt und greifbar wirkt. Auf auffällige digitale Effekte (Glossar: Zum Inhalt: CGI) oder hochdramatische Actionszenen verzichtet der Film vollkommen. Er lebt von seinem Sinn für Details, für die Wirkung von engen und weiten Räumen, von Farben (Glossar: Zum Inhalt: Farbgestaltung), von Schatten – und vor allem von Licht.

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