Frankreich, Ende der 1950er-Jahre. Die Jungs einer Pariser Grundschule verfolgen das Leben der Erwachsenen mit großen Augen und missverstehen vieles, was um sie herum geschieht. So glaubt der kleine Titelheld, dass er bald ein Brüderchen bekommt, weil sein Vater plötzlich viel netter zu seiner Mutter ist, und dass ihn seine Eltern deswegen im Wald aussetzen werden. Um dieses Schicksal abzuwenden, grübeln Nick und seine Kameraden über Gegenmaßnahmen nach. Erst soll ein Blumenstrauß die Mutter gnädig stimmen, dann ein Großreinemachen und schließlich, nachdem beide Unternehmen im Chaos endeten, wird für das Brüderchen-Problem ein waschechter "Gangster" engagiert.
Für seine Realfilm-Adaption des berühmten Comics
Der kleine Nick hat Laurent Tirard die "heile Welt" der späten 1950er-Jahre liebevoll rekonstruiert. Die Kinder sind akkurat gescheitelt, Kostüme und Dekor wirken wie "geleckt" und mit den bunten Farben der elterlichen Wohnung greift das Production Design die Einrichtungsmode der damaligen Zeit augenzwinkernd auf. Auch die Sitten der Erwachsenen werden durch die Betrachtungen des kindlichen Titelhelden und Ich-Erzählers als
Voice Over in ein mildes satirisches Licht getaucht. Ein kleines Kunstwerk für sich ist die fließend
montierte Auftaktsequenz, in der Nick die anderen Personen der Geschichte mit wenigen treffenden "Strichen" vorstellt.
Obwohl die Geschichte des Films deutlich in ihrer Entstehungszeit verankert ist, wirken die fortgesetzten Missverständnisse zwischen Kindern und Eltern zeitlos. In der Grundschule könnte man fragen, ob die Kinder ähnliche Erfahrungen mit Erwachsenen gemacht haben, und wie sich dieses Missverstehen bei ihnen auflöste. Ähnliches gilt für das Verhältnis zwischen den Schülern und dem mit Zuneigung und gelegentlich auch mit freundlichem Spott charakterisierten Schulpersonal. In den höheren Klassen bietet ein Vergleich zwischen früheren und heutigen Unterrichtsmethoden und Familienstrukturen interessante Diskussionsmöglichkeiten. In Deutsch, Französisch und Kunst können Comicvorlage und filmische Umsetzung auszugsweise verglichen werden. Zudem ließe sich exemplarisch der Comic
Der kleine Nick für das erstaunliche Gesamtwerk des Texters René Goscinny (
Asterix, Lucky Luke u. a.) analysieren.
Autor/in: Michael Kohler, 03.06.2010
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