Die Riesen. Immer wieder die Riesen. Ihre Gier und ihr unerbittliches Streben nach Macht sind schuld daran, dass die geheimnisvollen Perlimps aus dem verwunschenen Wald in Vergessenheit geraten sind – und damit die Quelle all jener Energie, Neugier und Freude, die das Leben erst so schön gemacht haben. Diese Riesen haben nun auch den Wald umzingelt, in den der kleine Wolf Claé aus dem Reich der Sonne geflüchtet ist. Er kennt die finsteren Pläne des Riesen Captain Goldglanz und ist als Spezialagent auf der Suche nach den Perlimps. Damit ist er allerdings nicht allein. Die kleine Bärin Bruô aus dem Reich des Mondes verfolgt dasselbe Ziel. Doch zusammenarbeiten können die beiden Tierkinder nicht. Spinnefeind sind sich ihre Königreiche. So raufen sie miteinander, beäugen sich misstrauisch und prahlen, was das Zeug hält – bis sie ein radioähnliches Gerät finden. Claé aus dem technikaffinen Reich der Sonne kann ihm eine musikalische Botschaft entlocken, die Bruô dank ihrer Gedankenkraft verstehen kann. Spätestens ab diesem Zeitpunkt ist beiden klar, dass sie sich gemeinsam auf den Weg machen müssen, wenn sie die Perlimps finden und den Wald retten wollen.

Verzaubertes Paradies aus Farben und Licht

Der verwunschene Wald im brasilianischen Zum Inhalt: Animationsfilm "Das Geheimnis der Perlimps" wirkt traumhaft schön. In prächtig leuchtenden Farben (Glossar: Zum Inhalt: Farbgestaltung) hat Regisseur Alê Abreu ihn inszeniert, ganz ohne scharfe Konturen. Als Grundlage für die Hintergrundzeichnungen dienten Farbklekse und Farbverläufe mit deutlich sichtbaren Pinselstrichen, die digitalisiert und danach am Computer bearbeitet wurden (Glossar: Zum Inhalt: Digitalisierung). So ist eine sehr haptische Welt entstanden, ein Paradies aus Farben, Formen und Licht, das magisch und harmonisch wirkt und damit in deutlichem Kontrast etwa zu Darstellungen des Waldes in deutschen Märchen steht. Die Unterschiede der beiden Tierkinder werden auch durch farbliche Kodierungen veranschaulicht. Claé ist die Farbe Rot zugeordnet (ohnehin ähnelt er mehr einem Fuchs als einem Wolf), Bruô die Farbe Blau.

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Je weiter die Tierkinder durch den Wald gehen, desto mehr werden sie mit den folgenschweren Taten der Riesen konfrontiert. Kaum haben die beiden einen Fluss überquert, trocknet dieser plötzlich aus. Er wurde leergesogen, mutmaßt Claé, weil die Riesen das Wasser für "die riesige Welle" brauchen, die ihnen die Energie für ihren Krieg gegen die Menschen jenseits einer großen Mauer liefern soll. Nur wenige Schritte entfernt ist der Wald bereits gerodet. Mit schrillen Tönen (Glossar: Zum Inhalt: Tongestaltung/Sound-Design) untermalt der Film diese Zerstörung des Waldes, setzt nun auf dunkle Farben und harte Kontraste. Geradezu lebendig wirken unterdessen die anthropomorphen Maschinen der Riesen, die sich durch den Wald fressen. Fließend wechseln idyllische Bilder mit solchen der Bedrohung – das Paradies der Tierkinder ist in unmittelbarer Gefahr, die umso größer wirkt, weil die Riesen nicht zu sehen sind. Lange werden sie der Vorstellungskraft des Publikums überlassen. Mit dem alten, weisen Albatros Hans von Lehm treffen die Tierkinder schließlich eine Figur, die einmal ein Riese war, ein Soldat sogar, und der ihnen mehr über die Perlimps erzählt. Erst zu diesem Zeitpunkt wird klar, dass diese wohl gar keine konkreten Lebewesen sind, sondern vielmehr als Idee zu verstehen sind: etwa als Metapher für Lebensfreude, für kindliche Unschuld, für Neugier und Veränderungswillen.

Abstraktes Rätsel mit realem Hintergrund

Lange lässt der Film, der mit einem kurzen kryptischen Prolog in die Geschichte einführt, sein Publikum im Unklaren. Manchmal tritt er sogar auf der Stelle und verliert sich in seiner Atmosphäre, anstatt die Handlung voranzutreiben. Die Perlimps bleiben ebenso ein abstraktes Rätsel wie die Riesen, bis Claé schließlich nach einem missglückten Versuch, das Kraftwerk der Riesen zu sabotieren, von einem Hubschrauber geschnappt und fortgeschleppt wird – und damit etwas geschieht, wodurch der gesamte Film noch einmal neu bewertet werden muss: Claé entpuppt sich nämlich als Junge, der drei Tage im Wald gespielt hat und überdies der Sohn des befehlshabenden Generals ist, Bruô als Mädchen, das jenseits der Mauer lebt und mit ihrer Familie durch Soldaten bedroht wird. Alles, was bisher zu sehen war, war nur ein Spiel zweier Kinder; ihr Versuch, in Form einer fantastischen Abenteuergeschichte das Verhalten der Erwachsenen und deren Welt zu verstehen oder zu verarbeiten.

Letztlich hat Das Geheimnis der Perlimps somit mehr mit der Wirklichkeit zu tun, als es zunächst den Anschein macht. Wie schon in seiner vorherigen Regiearbeit Zum Inhalt: Der Junge und die Welt ("O Menino e o Mundo" , BR 2013) greift Alê Abreu auch hier wieder auf Gegebenheiten der jüngeren brasilianischen Geschichte zurück. Die letzte Militärdiktatur in Brasilien, die bis ins Jahr 1985 andauerte, findet ebenso ihren Widerhall wie ein geschärftes Bewusstsein für die Notwendigkeit, den Regenwald am Amazonas vor der Zerstörung zu bewahren.

Es sind große politische und ökologische Themen, die Abreu in seinem Film anreißt. Belehrend aber wirkt die Geschichte nicht, weil sie sich voll auf die Kinderperspektive konzentriert und diese so ernst nimmt wie nur möglich. Obwohl der Film beklagt, wie korrumpierbar (erwachsene) Menschen durch Habgier und Macht sind, endet er nicht pessimistisch. Das Geheimnis der Perlimps setzt alle Hoffnung auf die Kinder und macht ihnen zugleich Mut, auch ihr echtes Leben als aufregendes Abenteuer im Kampf für das Gute zu begreifen.

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