"Ein andalusischer Hund"

Bildungsrelevant, weil … Luis Buñuels und Salvador Dalís Meilenstein des surrealistischen Films die Mechanik des Kinos nutzt, um psychologische Prozesse abzubilden.

Die Geschichte: Eine absurde Abfolge surrealistischer Szenen

Zu beschwingter Tangomusik (Glossar: Zum Inhalt: Filmmusik) schleift ein Mann sein Rasiermesser, tritt auf den Balkon und blickt zum Vollmond, den schmale Wolken durchziehen; das Messer schneidet durch das linke Auge einer still dasitzenden Frau. Auf die schockierende Zum Inhalt: Szene folgt ein Zwischentitel: "Acht Jahre später". In derselben Wohnung empfängt die Frau, augenscheinlich völlig gesund, einen Mann, der in Nonnentracht radelnd vor ihrem Haus zusammenbricht. Aus seiner Hand krabbeln Ameisen. Nach ersten Zärtlichkeiten erwehrt sie sich des Liebhabers mit einem Tennisschläger. Er will sich ihr nähern, muss dabei jedoch zwei Konzertflügel hinter sich herziehen. Zwei Eselkadaver und zwei entsetzte Priester sind Teil der absurden Last. Nachdem ihm die Achselhaare der Frau als Bart ins Gesicht gewachsen sind, erschießt er einen hereingestürmten Doppelgänger. Die Frau tritt aus der Tür und findet am Strand einen Mann, den sie liebt. "Im Frühling" sieht man die Leichen eines Mannes und einer Frau, eingegraben im Sand.

Filmische Umsetzung: die Filmtechnik als perfekter Ausdruck surrealistischen Denkens

"Ein andalusischer Hund", im Jahr 1929 realisiert von Luis Buñuel und Salvador Dalí, gilt bis heute als Höhepunkt des surrealistischen Films. Berühmt wurde vor allem die Eröffnungssequenz (Glossar: Zum Inhalt: Sequenz), für den zeitgenössischen Regiekollegen Jean Vigo eine Aufforderung, den Film "mit einem anderen Auge zu sehen". Ihr symbolischer Schockeffekt ist ein Werk reiner Zum Inhalt: Montage, die Mond, Wolken, Messer und Auge in einem mustergültigen Zum externen Inhalt: Match Cut (öffnet im neuen Tab) zusammenführt. Ein sinnstiftender Zusammenhang hingegen ist in der absurden Szenenfolge der nur 16 Minuten Handlung kaum auszumachen. Mitunter erscheint er, etwa in der Montage ähnlicher Bildmotive, rein grafisch. Zeitangaben wie "Es war einmal" oder "Vor 16 Jahren" stiften ausschließlich Verwirrung. Buñuel und Dalí erklärten sich zwar von Träumen inspiriert, verbaten sich jedoch jede Deutung ihres Films als Traum. Vielmehr nutzen sie die Mechanismen des Films als perfekten Ausdruck ihres surrealistischen Denkens. Wechselnde Zum Inhalt: Einstellungsgrößen, Zum Inhalt: Überblendungen und vor allem der Schnitt ermöglichen die Abbildung psychologischer Prozesse, die rationaler Logik verschlossen sind.

Thema: Irrational, aber nicht abstrakt – ein Angriff auf die Kunst

Bei aller Absurdität finden sich dennoch konkrete Themen, die Surrealisten/-innen damals bewegten: die amour fou und daraus folgende sexuelle Frustration, der Hass auf bürgerliche Autoritäten und Moral sowie die transgressive Macht des Traums, flüchtiger Mittler zwischen Bewusstem und Unbewusstem. Offensichtlich ist der Bezug auf die Psychoanalyse Sigmund Freuds – der Film ist ebenso sehr Verwirklichung der Freudschen Traumlogik wie deren Parodie. Der Filmemacher Buñuel und der bildende Künstler Dalí sahen ihren gemeinsamen Film als Angriff auf Konventionen des narrativen Kinos, mehr aber noch auf die abstrakte Kunst der damaligen Zeit. Bildmotive aus Ein andalusischer Hund – ein mysteriöses Kästchen als Zum Inhalt: MacGuffin, die Ameisen – sollten in ihren späteren Werken immer wieder auftauchen.

3 Fragen für ein Filmgespräch:

• Ein andalusischer Hund gilt als Bruch mit Erzählkonventionen des Kinos. Was erscheint darin surreal?

• Analysiert die berühmte Eröffnungssequenz. Was habt ihr dabei gefühlt? Aus wie vielen Einstellungen besteht sie und wie sind diese zusammengefügt?

• Entgegen Luis Buñuels Annahme wurde der Film bei seiner Pariser Uraufführung sehr wohlwollend aufgenommen. Warum, denkt ihr, hat der Film damit seine Intention verfehlt?