Volker Schlöndorff ist ein Regisseur, ohne den man sich die Geschichte des deutschen Films nicht vorstellen kann. Mehr noch: Mit Werken wie Zum Filmarchiv: "Die Blechtrommel" (BRD, F 1979), der als erster deutscher Film mit einem Oscar® ausgezeichnet wurde, verhalf er dem deutschen Nachkriegskino wieder zu weltweitem Ansehen. Nach dem Tod von Rainer Werner Fassbinder zählt er zu den wenigen heute noch Aktiven des Neuen Deutschen Films mit internationalem Renommee.

Schüler der Nouvelle Vague

In den frühen 1960er-Jahren, als seine Regie-Karriere begann, gehörte Schlöndorff mit Fassbinder, Alexander Kluge oder Werner Herzog zu der Gruppe junger Regisseure, die mit dem Motto "Papas Kino ist tot"

Der junge Törless

DIF, SDK, FMD

den endgültigen Bruch mit der etablierten Unterhaltungsindustrie propagierten. Als dieser Aufbruch in eine neue, unverbrauchte Filmkultur vorangetrieben wurde, war der Sohn eines Wiesbadener Arztes gerade mal 23 Jahre alt. Seine Lehrjahre bei den Meistern der Nouvelle Vague, die ihn auch künstlerisch nachhaltig prägten, hatte er aber bereits hinter sich. Seit 1955 lebte er in seiner Wahlheimat Frankreich, zuerst als Internatszögling, später als Jurastudent in Paris, der sich den Traum von den bewegten Bildern ersatzweise durch allabendliche Besuche in der Cinémathèque française erfüllte. Nach Regie-Assistenzen bei Louis Malle, Jean-Pierre Melville und Alain Resnais drehte er 1966 in Deutschland "Der junge Törless" . Die Verfilmung nach einem Roman Robert Musils aus dem Jahr 1906 wurde mehrfach ausgezeichnet und gilt als erster Erfolg des Neuen Deutschen Films.

Einblicke in ein umfangreiches Werk

Mehr als 30 Kinofilme und Fernsehspiele hat er seither inszeniert (außerdem Opern und Theaterstücke). Er gilt als solider Handwerker, künstlerisch ambitioniert, aber ästhetisch dem klassischen Hollywoodkino näher als viele seiner früheren Weggenossen. Schlöndorff steht für ein populäres, gleichwohl politisches Kino. Seine Filme erzählen von Rebellen, Verweigerern, der Suche nach Menschlichkeit, nicht zuletzt der bundesrepublikanischen Wirklichkeit. Mit drei Filmen präsentiert diese Ausgabe einen Einblick in das umfangreiche Werk. Zum Filmarchiv: "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" (BRD 1975) nach einer Erzählung von Heinrich Böll attackiert vor dem Hintergrund der Terrorismusfahndungen in den 1970er-Jahren vehement die menschenverachtenden Machenschaften eines verantwortungslosen Sensationsjournalismus. Aus einer moralischen Position heraus stellt er sich der deutschen Wirklichkeit und fordert auch das Publikum auf, Position zu beziehen. Wegen dieses Films, der international Furore macht, aber auch wegen seines politischen Engagements wurde Schlöndorff damals als Sympathisant der RAF an den Pranger gestellt. Sein Welterfolg Zum Filmarchiv: "Die Blechtrommel" (BRD, F 1979), die ästhetisch und dramaturgisch dichte Adaption des gleichnamigen Romans von Günter Grass, beschäftigt sich mit einer Frage, die in

Strajk - Die Heldin von Danzig

Progress Filmverleih

Schlöndorffs Werken, vor allem seinen Literaturverfilmungen seit der Musil-Adaption immer wieder auftaucht: Wie konnte es möglich werden, dass sich das deutsche Bürgertum stillschweigend der faschistischen Diktatur des Nationalsozialismus überantwortet? Einen kathartischen Moment in der polnischen und europäischen Geschichte, ausgelöst von einer beeindruckenden Frau, beschreibt Zum Filmarchiv: "Strajk – Die Heldin von Danzig" (D, PL 2006). Mit großer emotionaler und visueller Kraft erzählt Schlöndorff aus dem Leben von Anna Walentynowicz, im Film heißt sie "Agnieszka", der Mitgründerin der polnischen Arbeiterbewegung Solidarność. Diese Querulantin mit Herz bringt eine ebenso einfache wie zutreffende Lebensweisheit auf den Punkt: Wer sich nicht wehrt, der lebt verkehrt. Das könnte auch auf den Regisseur zutreffen, dem man 2008 die Regie für "Die Päpstin" entzogen hatte, weil er öffentliche Kritik an den Produktionsbedingungen geübt hatte. Er nahm es mit Gelassenheit und schrieb stattdessen sein Leben in einer Autobiografie nieder. Am 31. März 2009 wird Volker Schlöndorff, der selbst von jeher politisch und künstlerisch engagiert Partei ergreift, 70 Jahre alt.