Hintergrund
Uganda: Ursachen und Folgen einer Militärdespotie
"Perle Afrikas" – so soll einst der britische Staatsmann Winston Churchill von diesem Gebiet geschwärmt haben. In der Tat ist das am Äquator gelegene Uganda ein fruchtbares, mit einer reichhaltigen Vegetation ausgestattetes und durch sein mildes Klima begünstigtes Land. Mit seinen rund 30 Millionen Einwohnern/innen verfügt es über eine ausgeprägte Vielfalt an Kulturen und Sprachen. Die Perle verlor ihren Glanz, als am 25. Januar 1971 ein Berufssoldat die Regierung stürzte und ein Terrorregime errichtete, das verheerende Auswirkungen nicht nur auf das eigene Land, sondern auch auf das Ansehen ganz Afrikas hatte.
Vorkoloniale und koloniale Geschichte
Die Landesbezeichnung leitet sich vom nördlich und westlich des Victoriasees gelegenen Königreich Buganda her, in dem sich seit dem 15. Jahrhundert eine starke Zentralgewalt aus den ansässigen Clans heraus entwickelt hatte. Dorthin waren ab Mitte des 19. Jahrhunderts von der ostafrikanischen Küste kommende ausländische Reisende vorgestoßen: erst arabische Händler, dann rivalisierende europäische "Entdecker" und Missionare. Am Königshof bildeten sich förmliche Religionsparteien; eine Epoche der Bürgerkriege folgte. Die Briten errichteten 1894 ihr "Protektorat" zunächst über Buganda und später mit Hilfe Bugandas über die übrigen Teile des heutigen Uganda. Teilweise trafen sie auf erheblichen Widerstand.
Buganda war gegenüber den anderen vorkolonialen Königreichen oder Gesellschaften ohne Zentralgewalt durch die geografische Lage begünstigt, zudem durch seine Bereitschaft, an der kolonialen Modernisierung mitzuwirken. Die Ende des 19. Jahrhunderts entstandene neue Ordnung blieb jahrzehntelang bestehen. Ihre Eckpfeiler waren: Oberherrschaft der Briten, Vorherrschaft Bugandas im Protektorat, dominierende Stellung der mit der Kolonialmacht verbundenen Anglikaner, Gefühl der Zurücksetzung bei den zahlenmäßig die Protestanten übertreffenden Katholiken, tolerierte Position der Moslems, faktische Nichtwahrnehmung der "Heiden", die lange die Mehrheit der Bevölkerung stellten. Diese religiös-konfessionelle Spaltung wirkte fort und fand ihren Ausdruck noch bei der Gründung von politischen Parteien am Ausgang der Kolonialzeit. Zudem bildeten sich regionale Ungleichgewichte heraus; besonders die entlegenen Landesteile wie West-Nil im Nordwesten wurden zum Arbeitskräftereservoir für die Landwirtschaft Bugandas und die entstehende Industrie. Die Disparitäten haben noch immer Bestand. Die Benachteiligung des Nordens bei der Wirtschaftsentwicklung hatte auch unbeabsichtigte Langzeitwirkungen, wurde hier doch neben Arbeitskräften auch der Nachwuchs für die Polizei und das Militär rekrutiert. Die Folge war eine plötzliche Verlagerung auch der inneren Gewichte, sobald die Armee die politische Arena betrat.
Weg in die Gewalt
Dies geschah schon bald nach der Unabhängigkeit, die Uganda am 9. Oktober 1962 unter einer komplizierten staatsrechtlichen Konstruktion erlangte. Buganda wurde "halbföderaler" Bestandteil des Gesamtstaats. Die drei anderen Königreiche Ankole, Bunyoro und Toro erhielten einen etwas geringeren Status zugesprochen, während das übrige Land in Bezirke eingeteilt wurde. Ministerpräsident Apolo Milton Obote orientierte sich am zeitgenössischen afrikanischen Nationalismus; den Dualismus zwischen Uganda und Buganda löste er mit Gewalt auf. Im Mai 1966 wurde der König von Buganda durch die Zentralregierung gestürzt; der Angriff auf den Königspalast stand unter dem Befehl von Oberst Idi Amin Dada. Der aus West-Nil stammende moslemische Berufssoldat hatte das Kriegshandwerk in den Kolonialstreitkräften der Briten erlernt. Mit der ehemaligen Kolonialmacht verband ihn zeitlebens eine ausgeprägte Hassliebe.
Anfang 1971, als Obote, mittlerweile Präsident der Republik Uganda, an der Commonwealth-Konferenz in Singapur teilnahm, ergriff Amin, mittlerweile Generalmajor, mittels eines Putsches von Teilen des Militärs die Macht. Insbesondere in Großbritannien fand das positive Resonanz, hatte sich doch Obote als scharfer Kritiker der von Premierminister Edward Heath beabsichtigten Rüstungslieferungen an das Südafrika der Apartheid erwiesen. Eng war auch Amins Beziehung zu Israel, das durch Unterstützung der südsudanesischen Unabhängigkeitskämpfer/innen eine Schwächung seiner arabischen Gegner bewirken wollte.
Bald spielte der zunehmend unberechenbar werdende Amin den internationalen Schalk. Dem US-Präsidenten Richard Nixon wünschte er "rasche Genesung von der Watergate-Affäre", und Libyens Muammar Ghaddafi erlag später seinem grandiosen Schwindel, Uganda sei so etwas wie ein revolutionärer Moslemstaat. Den Plan, ein Hitler-Denkmal dort zu errichten, wo im Ersten Weltkrieg die Kolonialtruppen der Deutschen und Engländer zusammengestoßen waren, redete ihm der sowjetische Botschafter aus. Das Wohlwollen des Westens verlor Amin binnen kurzem, als er sich – nicht zuletzt auf der Suche nach Quellen weiterer Waffenlieferungen – den arabischen Staaten zuwandte.
1972 erfolgte die Vertreibung der asiatischen Minderheit. Schätzungsweise 50.000 Menschen, deren Vorfahren aus Britisch-Indien zugewandert waren, mussten das Land verlassen, in dessen Wirtschaft sie vor und nach der Unabhängigkeit eine wichtige Rolle gespielt hatten. Zumeist waren sie britische Staatsangehörige.
Schreckensherrschaft und Straflosigkeit
Die Schreckensherrschaft nahm immer blutigere Züge an, denn Idi Amin ließ systematisch seine politischen und persönlichen Gegner/innen ermorden. Sein prominentestes Opfer wurde 1977 der anglikanische Erzbischof Janani Luwum. Insgesamt sollen mehrere hunderttausend Personen zwischen 1971 und 1979 umgekommen sein. Ein vom Zaun gebrochener Grenzkrieg gegen Tansania führte im April 1979 zum Fall Amins. Stabilität kehrte jedoch nicht ein; Ende 1980 wurde der 1971 von Amin gestürzte Obote wieder Präsident ("Obote II"), allerdings als Ergebnis verfälschter Wahlen. Schon im Februar 1981 lebte bewaffneter Widerstand auf. 1985 wurde Obote zum zweiten Mal von der eigenen Armee gestürzt; diese unterlag wenige Monate später der Guerilla der "Nationalen Widerstandsarmee" (NRA). Deren Führer Yoweri Kaguta Museveni wurde Anfang 1986 Präsident; seither wurden bemerkenswerte Erfolge beim Wiederaufbau des Landes und der Belebung der Wirtschaft erzielt. Allerdings sind die Fortschritte nicht im ganzen Land gleichermaßen spürbar. Der Norden litt zwei Jahrzehnte lang unter dem – in dem Film Lost Children (R: Oliver Stoltz, Ali Samadi Ahadi; Deutschland 2005) dokumentierten – Treiben einer außergewöhnlich blutrünstigen "Widerstandsarmee des Herrn" (LRA) und dem Unvermögen des Staates, demselben ein Ende zu setzen. Auch die Haltung der Regierung zur Unabhängigkeit der Justiz und ihr Umgang mit den Rechten der Opposition geben Anlass zur Sorge.
Ende November 2007 steht Uganda ein internationales Großereignis bevor: die Gipfelkonferenz des Commonwealth. Seit der Konferenz in Singapur, die Idi Amin zum Putsch nutzte, werden dann fast 37 Jahre vergangen sein. Nach seinem Sturz führte Amin übrigens ein beschauliches Leben in Saudi-Arabien. Dort starb er im August 2003; es heißt, dass seine Beisetzung in Mekka oder Dschidda erfolgte. Für seine Verbrechen wurde er nie zur Verantwortung gezogen.
Dr. Volker Weyel erlebte den Amin-Putsch vom 25. Januar 1971 in Kampala. Er war von 1970 bis 1973 Research Associate des Makerere-Instituts für Sozialforschung (MISR) und der Makerere-Universität und ist heute als Fachjournalist und Gutachter in Bonn tätig.
Autor/in: Volker Weyel, 08.03.2007
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