1914 kauft der englische Bauer Ted den einjährigen Hengst Joey. Sein 16-jähriger Sohn Albert trainiert Joey und freundet sich mit ihm an. Als der Erste Weltkrieg beginnt, verkauft der hochverschuldete Ted das Pferd an die Kavallerie. Ein aufrechter Captain übernimmt Joey, fällt aber kurz darauf an der Front. Der Hengst gerät in die Hände zweier deutscher Soldaten, gehört einem französischen Bauer und seiner kranken Enkelin und muss als Zugtier bei der deutschen Artillerie schuften. Schließlich landet der Vierbeiner bei der britischen Armee, wo der zum Militärdienst eingerückte Albert ihn wiedertrifft.
Das Drehbuch des melodramatischen Kriegsepos, das sechs Oscar®-Nominierungen erhielt, beruht auf Michael Morpugos sentimentalem Jugendbuch
Schicksalsgefährten (1982) und auf Nick Staffords erfolgreicher Londoner Bühnenfassung (2007). Fungiert der vermenschlichte Joey im Roman als Erzähler, so beschränkt sich Regisseur Steven Spielberg darauf, ihn als Bindeglied zwischen turbulenten Action-Szenen und Szenen der anrührenden Freundschaft mit Albert einzusetzen. Im Vergleich zu seinem Drama
Der Soldat James Ryan (Saving Private Ryan, USA 1998) über die Invasion in der Normandie im Zweiten Weltkrieg verzichtet er hier weitgehend auf explizite Gräuelszenen. Kriegsbilder in düsterem Grau-Blau wechseln mit sonnendurchfluteten Landschaftsszenerien; neben der
Farbgebung besticht der Film ästhetisch durch atemberaubende Lichtstimmungen und ungewöhnliche
Kameraperspektiven, die die Bewegung der Pferde einfangen. Im pathetischen Finale überspannt Spielberg allerdings den Bogen zur Rührseligkeit, unterstützt vom pompösen
Soundtrack seines Stammkomponisten John Williams.
Im Unterricht gibt die Geschichte einer unverbrüchlichen Loyalität Anstöße zur Erörterung der Frage, ob die Bindung zwischen Mensch und Tier so tief und erfüllend sein kann wie die zwischen zwei Menschen. Indem der überlange Film das Leiden von Mensch und Tier bei allen Kriegsparteien zeigt, bietet er zudem reichlich Anknüpfungspunkte für eine Diskussion über die Legitimation und Sinnhaftigkeit von kriegerischer Gewalt. Die fulminante
Schlüsselsequenz, in der zwei verfeindete Soldaten im Niemandsland Joey gemeinsam aus Stacheldrahtschlingen befreien, legt einen Vergleich zur berühmten Weihnachtsszene in Christian Carions Schützengrabendrama
Merry Christmas (Frankreich, Deutschland, Großbritannien u.a. 2005) nahe. Im Filmgespräch könnte untersucht werden, ob die episodische Erzählstruktur, die Albert über weite Strecken außen vor lässt, das Identifikationspotenzial mindert.
Autor/in: Reinhard Kleber, 13.02.2012