Alberto Giacometti – Die Augen am Horizont zählt zu einer vierteiligen Reihe von Künstler-Dokumentarfilmen des Schweizer Autorenfilmers Heinz Bütler, die jetzt kurz nacheinander in die deutschen Kinos kommen. Zu dem Paket gehören außerdem
Henri Cartier-Bresson – Biographie eines Blicks,
Ferdinand Hodler – Das Herz ist mein Auge und
Ettore Sottsass – Der Sinn der Dinge. Gemeinsam ist den vier Arbeiten, dass Bütler in sehr ruhigem Erzählrhythmus jeweils eine künstlerische Persönlichkeit porträtiert und dabei deren Werk und Leben in einer komplexen Montage verschiedener Materialien und Dokumente veranschaulicht. Im Falle von Alberto Giacometti (1901-1966) kombiniert er Aufnahmen der Plastiken, Gemälde und Zeichnungen des Schweizer Künstlers, Aussagen von Verwandten, Zeitgenossen/innen, Weggefährten/innen und Kunstexperten/innen sowie Auszüge aus den umfangreichen Schriften Giacomettis, die von einem Sprecher im Off vorgetragen werden.
Die Selbstaussagen geben zahlreiche Bildmotive des Films vor, der von Giacomettis Geburtsort in einem abgelegenen Tal in Graubünden über die Hochschule in Genf, Studienreisen nach Venedig und die langen Jahre im Pariser Atelier alle wichtigen Lebensstationen vorstellt. Aufschlussreich sind zudem Ausschnitte aus einem Dokumentarfilm aus dem Jahr 1965, die am Beispiel einer plastischen Figur Einblicke in den kreativen Herstellungsprozess geben. So entsteht eine vielschichtige Porträtskizze, die Giacometti als Pendler zwischen ruhiger Bergwelt und hektischer Metropole schildert und die ihren betont subjektiven Ansatz durch eine eigenwillige avantgardistische Musikbegleitung unterstreicht. Anschaulich arbeitet Bütler den perfektionistischen Anspruch des Künstlers heraus, der im Streben nach der Erfüllung seines inneren Auftrags – einer "wahrhaftigen" Menschenabbildung – seine Werke häufig überarbeitete und zum Teil sogar zerstörte, weil er sie als misslungen ansah. Obwohl Giacometti heute vor allem durch seine feingliedrigen figuralen Plastiken bekannt ist, widmet Bütler in seinem Film, der anlässlich des 100. Geburtstags des Künstlers entstand, den Gemälden und Zeichnungen mindestens ebenso viel Raum. Eine eigenständige Interpretation des Oeuvres, das vom Surrealismus, Kubismus und Existenzialismus beeinflusst wurde, entwickelt der Autor allerdings nicht, hier stößt sein Film an seine medialen Grenzen.
Autor/in: Reinhard Kleber, 25.07.2007