Langsam wandert die Kamera über die einstigen Schmuckstücke der kubanischen Hauptstadt: prächtige Bauten, denen der Zahn der Zeit jeden Glanz genommen hat, eingefallene Dächer, verschimmelten Wände, abgebröckelter Stuck. Dennoch scheinen die Häuser um einen letzten Funken Würde zu kämpfen. Noch sind sie nicht zusammengestürzt; noch immer leben Menschen in ihnen. Auf dem Dach eines solchen Gebäudes steht Totico Fernández und wirft seine Tauben in die Luft. Zu gerne würde er selbst fliegen können, frei sein. Schon in den ersten Einstellungen wird deutlich: Florian Borchmeyers essayistischer Dokumentarfilm prangert den von der Regierung geduldeten Verfall Havannas an und entwickelt eine ganz eigene Theorie um Ruinen und ihre Bedeutung im Inselstaat. Den roten Faden dieses Essays spinnt der Schriftsteller und selbst ernannte "Ruinologe" Antonio José Ponte. Er erklärt die Ruinen Havannas zur Stütze des Systems. Sie seien mehr als eine Metapher auf den Zustand des gesamten Landes. Sie hielten die Bewohner/innen der Stadt in einer Art hilflosen Starre. Denn weder an ihren maroden Behausungen noch an ihrem eigenen Leben könnten sie etwas ändern.
Diese These durchzieht den Film bis ins kleinste Detail. Die Protagonisten/innen erzählen von ihrem Leben in den Ruinen ehemaliger Luxushotels oder glamouröser Theater und von der Erinnerung an das Vergangene. Die allgegenwärtige Apathie könnte erdrückend wirken, wäre da nicht die poetische Bildsprache und eine bewegte Kamera, die von Einstellung zu Einstellung schwenkt und sich am Kran in luftige Höhen schraubt. Eine sentimental angehauchte Melancholie verbreitet sich zudem durch die wiederholt eingestreuten Filmausschnitte vom wuselnden Leben im vorrevolutionären Havanna. Borchmeyer vertritt in seinem Film eine klare Position, sucht keine Gegenstimmen, vermeidet Ambivalenz. Konsequent belegt er die Idee vom ruinösen Leben in den verfallenden Bauten Havannas mit den Aussagen seiner beeindruckenden Protagonisten/innen. An einigen Stellen lässt das die Zuschauenden etwas ratlos zurück. Dann wäre es wünschenswert gewesen, kritisch nachzufragen und die behauptete Starre nachvollziehbarer zu machen.
Autor/in: Dinah Münchow, 28.03.2007