Adrianas Mutter ahnt gleich, dass dieses Fahrrad Unglück bringt. Der 17-jährige Kleinkriminelle Jorge hat es seiner jüngeren Schwester zum Geburtstag geschenkt, obwohl sich die in einem Armenviertel von Mexiko Stadt lebende Familie derartiges eigentlich nicht leisten kann. Während ihrer ersten Fahrt wird die Dreizehnjährige dann auf offener Straße von skrupellosen Menschenhändlern entführt und auf einer qualvolle Odyssee bis in einen Vorort von New York verschleppt. Dort soll das Mädchen an den Meistbietenden versteigert werden. Der deutsche Titel
Trade - Willkommen in Amerika verkehrt das Versprechen der Neuen Welt in sein zynisches Gegenteil: Wer nichts hat, wird nach seinem Nutzwert auf dem modernen Sklavenmarkt taxiert, hier in der besonders abstoßenden Variante von Kindesmissbrauch und Zwangsprostitution. Auf ihrem Leidensweg befreundet sich Adriana mit einer jungen polnischen Mutter, die ein Menschenhändlerring mit der Aussicht auf ein Arbeitsvisum für die USA nach Mexiko gelockt hat. Nach ihrer Ankunft wird auch sie verschleppt, um sich mit anderen jungen Opfern in einem Verlies wiederzufinden.
Der deutsche Regisseur Marco Kreuzpaintner hat sich für sein US-Debüt ein Sujet gesucht, das ihn beinahe zwangsläufig auf einen schmalen Grat führt: Wer das schmutzige Geschäft des Menschenhandels und der Zwangsprostitution von innen heraus beleuchten will, gerät leicht in Gefahr, das Leid der Opfer für den melodramatischen Effekt auszubeuten. Ein wenig plakativ zielt Kreuzpaintner mit den erschütternden Schicksalen der Entführten auf das Mitgefühl des Publikums. Zudem bedient der Film die Konventionen des Thrillers zuweilen etwas klischeehaft, wenn er den Menschenhändlern Adrianas älteren Bruder sowie einen persönlich involvierten amerikanischen Polizisten an die Fersen heftet und bei der Darstellung sexueller Gewalt zu teilweise drastischen Mitteln greift. Andererseits gelingt es ihm, den Zuschauenden die Mechanismen eines ungebrochen prosperierenden Gewerbes ansatzweise zu erschließen. Neben der Diskussion von Themen wie Menschenrechte, Zwangsprostitution und dem Gefälle zwischen "erster" und "dritter" Welt bietet dieser Film daher auch Stoff für eine Erörterung darüber, ob sich das klassische Erzählkino als Mittel der politischen Aufklärung eignet.
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Lilja 4-Ever (Filmbesprechung vom 01.12.2003)
Menschenhandel oder: "Die Würde des Menschen ist unantastbar" (GG Art.1) (Hintergrund vom 01.07.2003)
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Autor/in: Michael Kohler, 15.10.2007