Als der achtjährige Charly von seinem Vater, einem Ingenieur der französischen Luftwaffe, zu Weihnachten anstelle des erhofften Fahrrads ein selbstgebautes Modellflugzeug geschenkt bekommt, ist er enttäuscht. Bald verunglückt der geliebte Vater tödlich. Dies bedrückt den Jungen sehr, der zunächst nicht begreifen kann, dass der Verstorbene nicht wieder zurückkommt. In dieser Situation erinnert er sich an das verschmähte Geschenk und entdeckt überrascht, dass es von selber fliegen kann und ein unvorhersehbares Eigenleben entwickelt. Fortan begleitet ihn der magische Flieger überall hin. Beunruhigt informiert seine Mutter einen ehemaligen Kollegen ihres Mannes über das seltsame Spielzeug, der es gegen den Willen Charlies im Labor untersuchen lässt. Gemeinsam mit seiner Freundin Mercedes bricht der Junge auf, um sein lieb gewonnenes Flugzeug zurück zu holen. Während dieses Abenteuers lernt er langsam, den Verlust des Vaters zu akzeptieren.
Mit behutsamen Anleihen bei unterschiedlichen, durchweg kindgemäßen Genres, wie Abenteuergeschichte und Fantasy, entwickelt Cédric Kahn die Kernerzählung vom kindlichen Abschiednehmen. Spannung erzeugende Nebenhandlungsstränge lockern die auf ungewöhnliche Weise mit dem Tod verbundene Fantasie- und Traumgeschichte immer wieder auf. Die Ästhetik des Films wird vor allem durch eine artifizielle Farbdramaturgie und sorgfältige Ausstattung der unterschiedlichen Handlungsräume bestimmt; ebenso durch eine Kameraarbeit, die Nah- und Panoramaaufnahmen souverän beherrscht und vor allem in den Flugsequenzen unkonventionell wirkt. Durch diese auf Effekte weit gehend verzichtende Verwendung filmischer Mittel ermöglicht es der Film bereits jüngeren Schülern/innen, die existenziellen und metaphysischen Bezüge des Themas "Loslassen und Abschiednehmen" nach dem Verlust eines geliebten Menschen angemessen zu erfassen. Indem
L'Avion – Das Zauberflugzeug jungen Menschen Freiräume für die Entwicklung eigener Phantasien lässt, kommt der Film ihrer Form von Trauerarbeit entgegen. Gut erarbeiten lässt sich die Umsetzung der dramaturgischen Grundidee, mit Hilfe des hinterlassenen Flugzeugs in der Traumwelt vom verstorbenen Vater Abschied zu nehmen, um schließlich in die Realität zurückzufinden: Die kindgemäße "éducation sentimentale" hilft lernen, den Tod als solchen zu akzeptieren.
Autor/in: Reinhard Middel, 27.04.2007