Kategorie: Filmbesprechung
"Das Leben ist schön"
La vita è bella
Geschichte eines italienischen Juden, der in einem Vernichtungslager versucht, seinen Sohn vor der grauenhaften Realität zu schützen.
Unterrichtsfächer
Thema
Der ungarische Übersetzer und Autor Imre Kertész, der als Junge nach Ausschwitz gebracht wurde, hat seine Erfahrungen später im "Roman eines Schicksallosen" niedergeschrieben und davon berichtet, dass es zwischen den Qualen auch etwas Ähnliches wie Glück gegeben habe. Wenn es Glück gab im KZ, dann hat es erst recht Lachen gegeben. Das ist menschlich. Selbst im Augenblick des größten Schmerzes ertappen wir uns dabei, dass wir ihn durch Humor zu ertragen versuchen. Für diese Haltung ist der Begriff "Galgenhumor" verbreitet. Es kann also keinen Grund geben, einen Film, der sich dem Thema des Holocaust mit den Mitteln der Komödie nähert, von vornherein mit einem moralischen Verdikt zu belegen. Roberto Benigni hat einen solchen Film gedreht und ihm den provozierenden Titel <kursiv_import>Das Leben ist schön </kursiv_import>gegeben. In Cannes wurde ihm der Große Preis der Jury verliehen. Auch beim 15. Internationalen Filmfestival von Jerusalem bekam er einen Preis. Diese Auszeichnungen könnten darauf hindeuten, dass die Komödie als Annäherung an das Entsetzliche weniger verbraucht ist, als die traditionellen Haltungen von Anklage, Empörung und Trauer.
Roberto Benigni ist ein Komiker aus dem Geist des italienischen Volkstheaters, das seine Wurzeln in der Commedia dell' arte hat. Er spielt mit artifiziellen Gesten, mit lauter Mimik, und in diesem Stil konzipiert er auch seine Filme. Wir kennen ihn vor allem aus Streifen von Jim Jarmusch, Federico Fellini und Wim Wenders. Der Typ, den er darin und in seinen eigenen Filmen verkörpert, gleicht jenem des gewitzten Brighella aus der Commedia dell' arte. Dieser überwindet alle Probleme durch Gedankenblitze und schnelle, spassige Wortschwälle. So wird auch der von Benigni gespielte Guido eingeführt, die Hauptfigur in <kursiv_import>Das Leben ist schön</kursiv_import>, ein Tunichtgut, der einen Job als Kellner im Hotel seines Onkels annimmt. In Italien kommt der Faschismus auf. Aber der naive Guido scheint gar nicht zu wissen, was da passiert. Er muss um die schöne Lehrerin Dora buhlen. Davon handelt der erste Teil des Films, in dem Benigni eine Reihe von clownesken Nummern vorführt. Nur zwei davon nehmen expliziten Bezug auf die historische Situation: Einmal führt er als verkleideter Schulinspektor die Lehre von der arischen Herrenrasse ad absurdum. Und dann entführt er die angebetete Lehrerin von der Tafel ihres faschistischen Verlobten auf dem Pferd seines Onkels, das mit antisemitischen Parolen beschmiert worden ist. Guido ist Jude.
Nach einer sehr schönen Ellipse, die das Vergehen von Jahren zusammenrafft, haben Guido und Dora einen kleinen Sohn und führen einen Buchladen. Ohne dass der Zuschauer konsequent darauf vorbereitet worden wäre, kommt plötzlich die Gestapo und verschleppt die Familie in ein KZ. Hier beginnt der Film des Fragens würdig zu werden. Hängt, auch dramaturgisch, Benigni nun nicht einfach eine neue Nummer an? Die KZ-Nummer? Man sondert die Frau ab, doch Vater und Sohn bleiben zusammen. Der Vater versucht seinem kleinen Jungen die Rituale der Vernichtung als Abenteuerspiel, als großes Quiz, in dem man Punkte sammeln muss, darzustellen. Er redet und redet und kann dem Kind die unwissende Unschuld, die Hoffnung auf ein gutes Ende, erretten. Das ist ein humanes Thema: Hoffnung in der Hoffnungslosigkeit der faschistischen Tötungsfabriken. Auch andere Filme haben schon davon gehandelt: Charlie Chaplins <kursiv_import>Der große Diktator</kursiv_import> mit seiner explizit verbalisierten Aufforderung zur Menschlichkeit, <kursiv_import>Jacob der Lügner</kursiv_import> von Frank Beyer oder <kursiv_import>The Day, the Clown Cried</kursiv_import>, ein unveröffentlichter Streifen von Jerry Lewis, mit einer ganz ähnlichen Fabel wie bei Benigni: ein Clown erheitert Kinder vor ihrem Gang ins Gas. Aber Benignis Geschichte wird jetzt durch seine eigene Artistik fragwürdig. Hinter den barmherzigen Lügen, hinter dem lustigen Minenspiel tritt bis ganz kurz vor dem Ende keine Verzweiflung, keine Anstrengung zur Hoffnung hervor. Benignis Spiel im KZ-Teil unterscheidet sich in keiner Nuance von dem Spiel im ersten Teil. Dadurch wird der Film unstimmig in der existenziellen Grundsituation. Letztlich wird das KZ verharmlost.
Warum kann <kursiv_import>Das Leben ist schön</kursiv_import> Erfolg haben, obwohl solche Einwände möglich sind? Vielleicht weil man den Film als ganz allgemeine Parabel über die Kraft der Hoffnung und die Waffe der Heiterkeit ohne konkreten historischen Bezug lesen kann. Vielleicht auch, weil sich mit der Rezeption des geschichtlichen Grauens eine Sehnsucht nach jenen Aspekten von Glück und Lächeln entwickelt hat, wie sie eingangs beschrieben wurden. Der unentwegte Versuch großer Filmkomiker, den Konzentrationslagern mit einem Lächeln beizukommen, scheint auf diese Herausforderung hinzudeuten. Sie begeben sich damit mutig in die Gefahr, der letztlich auch Roberto Benigni erliegt: statt einer Heiterkeit im Entsetzen kitzeln sie die Tränen des Sentiments hervor. Am Ende des Films dürften viele Zuschauer erschüttert schluchzen. Das mag auch am Beschützereffekt für den prägnant ausgesuchten Kinderdarsteller Giorgio Cantirini und am Musikeinsatz liegen.