Hintergrund
Der weiße Blick - Afrika im Mainstreamfilm
Afrika auf der Kinoleinwand: Für viele ertönt da zwangsläufig der Schrei der großen Affen. Tarzan ist die kinematografische und mythologische Fluchtfigur für das abendländische Publikum. So stellt es sich gern die Lage auf dem Schwarzen Kontinent vor: der edle Wilde ist ein Weißer, von der exotischen Natur zwar beinahe vollständig aufgenommen, dennoch das Vorbild, das sagt, wo es lang geht. Die Zahl der Tarzan-Filme ist Legion. Einer ist besonders nah an der literarischen Vorlage von Edgar Rice Burroughs: Greystoke von Hugh Hudson (USA 1984). Für die deutschen Zuschauer gibt es noch die erotische, weibliche Alternative zum "Herrn des Dschungels": Liane, das beinahe nackte Mädchen aus dem Urwald, in dem Streifen von Eduard von Borsody (BR Deutschland 1956).
Ich träumte von Afrika
Bewährung in schöner Landschaft
Im Blick von außen ist Afrika für das Kino beinahe so geblieben, wie die Entdecker- und Abenteuerliteratur des 19. Jahrhunderts den Erdteil beschrieben hat: ein faszinierender, aber auch gefährlicher Ort, dominiert von ungebändigter Natur, bewohnt von kaum begreiflichen Menschen, die einerseits bedrohlich sind, andererseits hilfsbedürftig. Für die Helden des Mainstreamfilms ist das Land eine Zone der Bewährung, für das Publikum eine Sensation dank überwältigender Landschaftsbilder. Noch der erfolgreichste Afrikafilm der letzten Jahre lebt von diesen Elementen. Sydney Pollacks Jenseits von Afrika (USA 1985) schickt eine Frau zur Selbstfindung in die Savannen, deren Schönheit er mit perfekter Fotografie verklärt.
Kontinent der Abenteuer
Eine Variante des Stoffes hat wiederum Hugh Hudson in Ich träumte von Afrika (USA 2000) ausgebreitet. Und da scheint es für die Befindlichkeit gar keinen Unterschied zu machen, dass Jenseits von Afrika in den 10er Jahren des 20. Jahrhunderts spielt und Ich träumte von Afrika in den 70er Jahren. Auch für den Mann muss Afrika als Kontinent der Abenteuer weiterhin ein Ort der individuellen Selbstüberwindung sein, wie Stephen Hopkins in Der Geist und die Dunkelheit (USA 1996) gezeigt hat. Es gilt die Bestie zu besiegen: den Löwen draußen, das Tier in der Seele. Afrika als kinomythisches Land bietet sich dafür zur Jahrtausendwende noch genauso an wie in den 50er Jahren mit Filmen wie König Salomos Diamanten (USA 1950, Regie: Compton Bennett), Der König der Safari (USA 1956, Regie: Terence Young) und Veleba ruft (GB 1958, Regie: Ken Annakin).
Gorillas im Nebel
Der Weiße als Retter
Oder aber der weiße Mensch kommt als Retter auf den ohne ihn verlorenen Kontinent. So engagierten sich Bernhard und Michael Grzimek von der Bundesrepublik Deutschland aus für die Einrichtung von Wildparks in Afrika. Ihr berühmter Dokumentarfilm Kein Platz für wilde Tiere (BR Deutschland 1956) war ein überzeugendes Argument für dieses Anliegen. 32 Jahre später feierte Michael Apted mit Gorillas im Nebel (USA 1988) den Kampf der weißen Anthropologin Dian Fossey gegen Wilderer. Es sieht so aus, als müssten Afrikas "native people" stets an der weißen Hand zum Vorteil geleitet werden, sogar dort noch, wo sie ihren ureigensten Freiheitskampf gekämpft haben. Viele Filme über Südafrikas Weg aus dem rassistischen Regime kennen vor allem den weißen Protagonisten, der für die Sache der Schwarzen kämpft. Ein Beispiel dafür ist, trotz seines liberalen Engagements, Cry Freedom von Richard Attenborough (GB 1987).
Jenseits von Eden
Das junge Kino Schwarzafrikas selbst sieht ganz anders aus und ist sehr viel selbstbewusster und kritischer. Immerhin kann mancher Weiße sich doch einfühlen in die Veränderungen Afrikas und ihre Folgen, wie Otar Iosseliani mit Und es ward Licht (BR Deutschland/F/I 1989) bewiesen hat. Dennoch blieb auch diese poetische Parabel nicht frei von dem sehnsüchtig verwirrten Blick des weißen Kinos. Iosseliani inszenierte einen Verlust des Paradieses, das Afrika nie war. Und seit die Weißen dort eingegriffen haben, war der Kontinent ohnehin jenseits von Eden.
Autor/in: Herbert Heinzelmann, 21.09.2006