Das Interview führte Margret Köhler.
Regisseurin Handan Ipekci mit Dilan Ercetin (Hejar) bei der Vorpremiere des Films in Köln
Beruht Ihr Film auf einer wahren Begebenheit, haben Sie sich von der Realität inspirieren lassen?
Das ist reine Fiktion. Die Idee entstand, weil ich in einem Land lebe, in dem Geschichte gelebt wird. Als Achtjährige zog ich mit meiner Familie in den Südosten der Türkei, wohin mein Vater, ein Richter, versetzt wurde. Als Kind kennt man keine Vorurteile. In den folgenden fünf Jahren hatte ich ganz normalen Kontakt mit der kurdischen Bevölkerung, lernte die Menschen kennen und lieben. Das war aber in den 1960er Jahren, zu einer Zeit, in der das Problem mit der kurdischen Bevölkerung noch nicht gewaltsam ausgetragen wurde. Die Kontroverse wurde von bestimmten Schichten geschürt, der Konflikt von oben künstlich hochgehalten.
Warum das offene, traurige Ende?
Darüber habe ich lange nachgedacht und auch mit den Schauspielern diskutiert. Die aufkeimende Liebe zwischen dem alten Mann und dem kleinen Mädchen ist zum Schluss gefestigt. Sie geht ja nicht für immer, lässt ihre Katze da und auch der Richter kann sie jederzeit besuchen. Ein aufgesetztes Happy End hätte einen falschen Zungenschlag in die Geschichte gebracht.
Ihr vom Kulturministerium geförderter Film lief fünf Monate erfolgreich im Kino, wurde dann plötzlich verboten. Wie kam es dazu, wer ist für die Entscheidung verantwortlich?
Ein Großteil der Presse sprach sich für den Film aus, nur ein paar Kolumnenschreiber dagegen. Auf diese wurde die Staatsanwaltschaft aufmerksam und forderte das Kulturministerium auf, den Film noch einmal zu sichten. In der Türkei muss jeder Film durch die Zensurbehörde freigegeben werden. Ein siebenköpfiges Gremium – jeweils ein Abgesandter vom Innen-, Erziehungs-, Sicherheits- und Kulturministerium, sowie Vertreter vom Schauspieler-, Produzenten- und Musikerverband – entschied sich für das Verbot, die Künstler stimmten dagegen.
Was wurde Ihnen denn genau vorgeworfen?
Der Bescheid warf dem Film Förderung des Rassismus und Separatismus vor und in diesem Sinne die Bloßstellung der Sicherheitskräfte der Türkei. Dabei war dem Kulturministerium der Inhalt des Drehbuches bekannt. Kleine Änderungen während der Dreharbeiten oder Postproduktion sind eigentlich üblich. Sie tangierten auch nicht die Grundbotschaft des Films: Liebe zwischen unterschiedlichen Menschen und Einigkeit zwischen den Volksgruppen ist möglich.
Im Film untersagt der Richter seiner Putzfrau, kurdisch zu sprechen. Entspricht diese Rigorosität der Wirklichkeit?
Türkisch ist die Amtssprache und das wird auch durchgesetzt, oft sogar bis in den privaten Bereich hinein. Selbst in den von Kurden bewohnten Gebieten redet man in den Amtsstuben Türkisch. Ich will zeigen, dass die Vielfalt der Sprachen eine Bereicherung für die Türkei sind.
Ihrem Einspruch gegen das Verbot des Films beim Obersten Gerichtshof wurde stattgegeben. Am 17. April droht Ihnen persönlich eine neue Verhandlung. Wie passt das zusammen?
Nach der erneuten Freigabe des Films nahm ein Bezirksstaatsanwalt aus Istanbul wegen des öffentlichen Interesses strafrechtliche Ermittlungen gegen mich als Regisseurin und Produzentin auf. Die Beschuldigung lautet, ich hätte nach Strafgesetzbuch $ 159, Abs. 1 die türkischen Staatsorgane, hier das Militär und die Polizei, lächerlich gemacht und deren Ehre beschmutzt. Da der Oberste Gerichtshof sich für meinen Film entschieden hat, sehe ich der Verhandlung gelassen entgegen.
Warum übernahmen Sie die Dreifachfunktion als Autorin, Produzentin und Regisseurin?
Wegen des großen Risikos traut sich keine Produktion an ein so heikles Thema heran. Da ich diesen Film aber unbedingt machen wollte, bin ich selbst als Produzentin eingesprungen, obgleich ich von Anfang an mit Problemen rechnete. Das Ausmaß der rechtlichen Ermittlungen hatte ich mir allerdings in meinen schlimmsten Träumen nicht vorgestellt.
Glauben Sie, dass durch den angestrebten EU-Beitritt eine politische Liberalisierung in der Türkei eintritt?
Kleine Folgen davon merken wir schon jetzt. So erlauben neue Gesetze bereits kurdische Sendungen, vielleicht auch mal Kurdischunterricht in Schulen und verstärkte Autonomieverhandlungen. Im Rahmen der Europäisierung werden sogar kurdische Sprachlehrgänge angeboten, wahrscheinlich demnächst auch Univorlesungen in Kurdisch. Die Türkei braucht den politischen Wandel und der Wille dazu ist auch bei der breiten Masse vorhanden. Bei der politischen Führung bin ich mir nicht so sicher. Ich glaube nicht an eine kurzfristige Änderung, die Angleichung an EU-Standards benötigt Zeit.