Wien 1945. Das Ende des Zweiten Weltkriegs ist absehbar, doch noch immer währt die NS-Herrschaft im von Deutschland annektierten Österreich, noch immer fliegen die Bomben. Aus ihrem zerstörten Haus zieht die Familie der neunjährigen Christine in eine Zum Inhalt: leerstehende Villa. Es ist eine aufregende Zeit der Unsicherheit, die das aufgeweckte Kind zu genießen beginnt. Während sich alle im Haus vor den anrückenden "Russen" fürchten, ist ihr jede Veränderung recht. Als die Soldaten der Roten Armee schließlich kommen, rennt sie den Flugzeugen entgegen. Christine ist nicht naiv, sie weiß um die Gefahren. So dürfen die in der Villa einquartierten Rotarmisten nicht erfahren, dass ihr desertierter Vater bis vor kurzem eine deutsche Wehrmachtsuniform trug und selbst in Russland war. Doch trotz einiger lebensbedrohlicher Situationen hat Christine nie Angst vor dem wilden Feldwebel, dem schönen Major, dem lieben Iwan oder der grimmigen Ludmilla. Mit dem jüdischen Koch Cohn, der so gar nichts Kriegerisches an sich hat, schließt sie sogar Freundschaft. Bald wünscht sie sich, dieser kurze "Mai der Anarchie" würde nie enden.

In ihrem Buch "Maikäfer, flieg!", erschienen 1973, beschrieb die 1936 geborene Kinderbuchautorin Christine Nöstlinger ihre Erinnerungen an das Kriegsende in einer packenden und für Kinder zugänglichen Form. Der Film behält diese subjektive Perspektive bei und übersetzt, etwa durch schräge Zum Inhalt: Kameraperspektiven oder Zum Inhalt: Überblendungseffekte, auch einige Verfremdungstechniken der Zum Inhalt: Vorlage. Mehr als einmal nimmt Christine die Christbaumkugeln, die sie im Schutt geborgen hat, und betrachtet ihre neue Welt wie durch ein buntes Kaleidoskop. Doch dieser magische Kinderblick, in dem Schmerz und Hoffnung zu verschwimmen scheinen, hat nichts Beschönigendes. Im Gegenteil sieht das Mädchen vieles klarer als ihre Umgebung. Das um keinen Fluch verlegene Mädchen ist eine von vielen rebellisch-unangepassten Kinderfiguren, die Nöstlinger über Österreich hinaus berühmt gemacht haben.

Maikäfer, flieg!, Szene (© W-film)

Zwischen alten Nazis und Roter Armee: Kinderperspektive auf ein Land in Trümmern

Wie durch ein Prisma zeichnet der Film auch ein Bild der österreichischen Nachkriegsgesellschaft. Der von Hitler 1938 vollzogene "Anschluss" an das Deutsche Reich hat seine Spuren hinterlassen. Die durchsetzungsstarke Mutter und der liebevolle Vater stehen kaum im Verdacht, den Nationalsozialisten damals zugejubelt zu haben. Die anfangs hochnäsige Offizierswitwe Frau von Braun, die zurückgekehrte Eigentümerin der Villa, arrangiert sich immerhin mit den Verhältnissen. Anders sieht es mit dem neuen Nachbarn aus, dem regimetreuen Forstrat mit seinen zwei Dobermännern und der Familie Engel. Frau Engel ("der Erzengel") schmäht die kleine Christl einmal gar als Volksverräterin, wegen ihrer Unvoreingenommenheit gegenüber den sowjetischen Soldaten. Gezeigt wird eine Mischung aus stillem Widerstand, opportunistischem Mitläufertum und fortwirkender Nazisympathie und damit ein Gesellschaftsbild, wie es wohl auch der damaligen Realität entsprach. Die langlebige Legende von Österreich als dem "ersten Opfer Hitlers" wird jedenfalls in Film und Buch nicht fortgeschrieben.

Facettenreich ist auch das Bild der "Russen". Auf die ersten Frontsoldaten, die Kronleuchter zerschießen und jeden "Germanski" mit der Waffe bedrohen, folgt die ruhigere Truppe um den schönen Major. Die Rotarmisten, müde vom Krieg, feiern gerne und sind oft betrunken. Der Feldwebel, der auch immer wieder den armen Cohn drangsaliert, bleibt eine stete Gefahrenquelle. Doch trotz Sprachschwierigkeiten stellt sich eine Form des Zusammenlebens ein, die Hoffnung macht. "Ti moj drug", lernt Christl, heißt "Du bist mein Freund". Von Ludmilla lernt sie auch, was sie vielleicht schon ahnte: Die Deutschen haben in der Sowjetunion gewütet, Menschen ermordet, Dörfer zerstört und Kriegsverbrechen begangen. Ihre Lehre aus dieser Geschichte ist, sich von den Erwachsenen nichts mehr sagen zu lassen. "Ich war nicht in Russland", schreit sie den Vater an. "Ich hab keine Russen totgeschossen so wie du. Ich nicht. Drum muss ich mich auch nicht in diesem saublöden Kellerloch verkriechen!"

Maikäfer, flieg!, Szene (© W-film)

Pulverland ist abgebrannt – na und?

Im Chaos des Kriegsendes entwickelt Christine Mut und Willensstärke, leidet mit den anderen Hunger und Not, passiert gefährliche Militärsperren, erkundet aber auch Freiräume. Das uralte Zum Inhalt: Kinderlied "Maikäfer, flieg!" wird dabei zum Leitmotiv. "Pulverland" ist abgebrannt, sprichwörtlich verpulvert im Kanonendonner, ein Stück Kindheit für immer verloren. In den Trümmern zerbombter Häuser wird sichtbar, was Kinder auch in aktuellen Kriegsgebieten zu durchleiden haben. Daran erinnert der detailreich gestaltete und mit lebendigen Figuren ausgestattete Film, um eine positive Idee des Friedens zu entwickeln, die mehr ist als die Abwesenheit von Krieg. Denn im Sturz der alten Ordnung liegen neue Chancen. Wer sich nach Monaten erstmals wieder richtig satt essen kann, darf auch mal den Teller ablecken. Bis zur Dämmerung tanzen die Familien zum Grammophon, in der luxuriösen Villa am Stadtrand verschwimmen die Standesschranken. Durch den Türspalt – eine wiederkehrende Perspektive – beobachtet Christine, was die Frau von Braun mit dem schönen Major macht. Aus ehemaligen Feinden werden Freunde, und wenn nicht, werden zumindest Vorurteile abgebaut. Ein großes Freiheitsversprechen liegt in diesen Bildern. Christines einzige Angst ist, dass die neue Ordnung es nicht einlösen wird.

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