Das Interview führte Holger Twele.
Szene aus dem Film "Kick it like Beckham"
Ist der Fußball immer noch eine Männerdomäne?
Das muss man so sagen. Wir haben zwar viel aufgeholt und sind seit über 30 Jahren im 'erlaubten' Fußball, wir durften bis 1972 nicht spielen. Natürlich ist der Männerfußball uns etliche Jahre voraus, das muss man ganz ohne Neid eingestehen. Wir sind aber dabei aufzuholen und den Frauenfußball populärer zu machen. Vielleicht sind wir irgendwann einmal gleichgestellt, aber das ist noch ein langer Weg dahin.
Warum durften Sie seinerzeit nicht spielen, wer hat Ihnen das verboten?
Das war die 'graue Eminenz' des Deutschen Fußball Bundes. Der DFB ist auch unser Verband, für den wir spielen, für den wir auch als Mitglieder geführt sind. Er verstand zunächst nicht, wie Frauen sich überhaupt erlauben können, Fußball zu spielen. Es hieß, die Sportart wäre zu brutal, die Frauen – das hat sich zum Glück geändert – gehörten hinter den Herd und müssten Kinder kriegen. Man musste in den Anfangszeiten einen Brustschutz tragen, damit nichts passiert, man durfte nur zwei Mal 25 Minuten spielen, man musste mit einem kleineren, leichteren Ball spielen. Wir hatten also einige Hürden und Schikanen zu überwinden, bis wir in dieser Hinsicht gleichgestellt wurde, und wir haben uns letzten Endes durchgesetzt. Heute ist der DFB froh, dass auch wir Frauen Fußball spielen.
Wann entstand die erste Frauenfußball-"Mannschaft" in der Bundesliga?
Ich habe kürzlich eine Frau kennen gelernt, die bereits 1925 Fußball spielen wollte, aber es wurde damals regelrecht verboten. In der Nachkriegszeit haben sich hier und da auch in England Frauen immer wieder durchzusetzen versucht, es aber nicht geschafft. Gesellschaftlich herrschte die Meinung vor, Frauen hätten mit Fußball nichts am Hut, das wäre reine Männersache. Inzwischen sind viele Männer vom Frauenfußball begeistert und gehen eher dorthin, weil sie dort noch "ehrlichen" Fußball sehen. Ab 1972 war es den Frauen erlaubt, offiziell Fußball zu spielen. Die erste deutsche Meisterschaft gab es 1974, 1981 kam die Nationalmannschaft und erst dann durfte man international spielen, 1989 die zweigleisige Bundesliga. So ging es langsam weiter und inzwischen sind wir nicht mehr das fünfte Rad am Wagen, sondern die Nummer Eins im Frauensport mit über einer Million Aktiven. Fußball ist auch für Frauen die "schönste Nebensache der Welt" und viele Mädchen haben das Talent für diesen Volkssport.
Spielen Frauen Fußball anders als Männer?
Ich denke schon. Wir wollen das Spiel zwar genauso spielen wie die Männer, aber es ist oft ästhetischer, den Frauen zuzuschauen. Da wird nicht so gerangelt wie bei den Männern, nicht so wie in einem Rudel aufeinander losgegangen, wie man es leider in der Herren-Bundesliga jeden Samstag miterleben muss. Wir wollen 'schönen' Fußball spielen, Tore machen. Das honorieren mittlerweile auch die Zuschauer. Wir achten darauf, dass der Ball rollt, dass nicht so sehr der Körpereinsatz im Vordergrund steht. Inzwischen ist die Leistung auch dank besserer Trainer erheblich gestiegen, alles athletischer, schneller und dynamischer geworden. Wir konnten viele überzeugen, dass wir eine gute Spieltechnik haben, einen Ball annehmen, gute Tore schießen können. Das sieht man auch bei der Frauen-Nationalmannschaft, die schon fünf Mal Europameister geworden ist, eine Bronzemedaille in Sydney bei der Olympiade geholt hat, Vizeweltmeister wurde. Unser 1. FFC Frankfurt ist schon fünf Mal Pokalsieger geworden und drei Mal deutscher Meister und UEFA-Cup-Sieger.
Ist der Frauenfußball in anderen Ländern populärer als in Deutschland?
In Amerika wird Frauenfußball bereits von Kind an gespielt und auch die entsprechende Akzeptanz ist vorhanden. Die meisten Mädchen wollen dort Fußball spielen und es ist daher auch die Sportart Nummer Eins für Frauen geworden, noch weit vor Basketball. Dort gibt es auch die erste Profiliga weltweit. Japan hat es vor einigen Jahren ebenfalls versucht, ist aber gescheitert. Hier in Europa ist gerade in den letzten Jahren vor allem in England der Frauenfußball immer mehr in den Vordergrund gerückt. Die skandinavischen Länder sind uns weit voraus, denn dort haben Frauen einen anderen Stellenwert, ist es eher akzeptiert, dass die Frau Fußball spielen darf, während der Mann vielleicht zu Hause sitzt und den Haushalt regelt. Hier in Deutschland haben die offensichtlichen Erfolge des Frauenfußballs immerhin zu einer deutlichen Aufwertung geführt.
Gibt es im Frauenfußball vorwiegend "einheimische" Teams oder werden auch gute Spielerinnen "dazugekauft"?
Wir hier in Frankfurt sind keine Profis, müssen tagsüber unserem Beruf nachgehen, kommen erst abends zu unserem Training und da ist der Verschleiß sehr hoch. Sehr viele Spielerinnen kommen von außerhalb, müssen oft mehr als eine Stunde Anfahrt in Kauf nehmen, das ist ein Riesenaufwand. Die amerikanische Profiliga allerdings zahlt den deutschen Spielerinnen vergleichsweise sehr viel, etwa 60.000 Dollar pro Saison, und damit kann man ein Hobby schon zum Beruf machen. Wir hier spielen aber vor allem aus Spaß, Leidenschaft, Begeisterung und damit wollen wir auch unsere Zuschauer anstecken. Es wäre natürlich wünschenswert, dass wir einmal Profis werden und noch bessere Leistungen erzielen. Mit der jetzigen Doppelbelastung gibt es nur wenig Privatleben, die Frauen opfern sehr viel für den Fußball und es ist ihnen hoch anzurechnen, was für einen Kraftakt sie für wenig Geld dafür aufbringen. Im Gegensatz zu manchen anderen Fußballvereinen haben wir also nur sehr wenig Geld und könnten es uns gar nicht leisten, Millionen für Spielerinnen auszugeben. Dafür sind wir sehr leistungsfähig und stark, wenn es um das Durchhaltevermögen geht.
Ausländische Spielerinnen haben neben allgemeinen Ressentiments eventuell auch noch kulturelle zu überwinden. Kam das auch bei Ihnen vor?
Das hatten wir in der Vergangenheit schon mehrfach, insbesondere bei türkischen Mädchen. Da sagen die Eltern, Fußball ist nichts für meine Tochter, obwohl diese begeistert und talentiert war. Noch problematischer war es bei einigen Mädchen aus Afrika, die sich weder ausziehen noch duschen, keine nackten Körperteile zeigen durften. Mit kurzer Hose aber bleibt der Oberschenkel nun mal frei. So konnten sie nur mit langen Hosen spielen und das haben wir akzeptiert. Inzwischen ist auch in dieser Hinsicht mehr Toleranz eingekehrt. Trotzdem glaube ich, viele Mädchen würden gerne spielen, bekommen es aber von zu Hause nicht erlaubt, durch die Kultur oder die religiöse Einstellung. Das kann man nur bedauern, denn Fußball ist die schönste Nebensache der Welt, er ermöglicht Kommunikation und Integration in der Gesellschaft. Er ist ein Mannschaftssport, bei dem man lernen muss, miteinander umzugehen. Nicht zu vergessen ist, dass wir auch Jugendliche von der Straße holen, ein Auffangbecken für sie sind, wir insofern auch eine soziale Aufgabe erfüllen.