Sie haben auch das Drehbuch zu Der Traum geschrieben. Wie kamen Sie auf die Idee, einen Film über einen Schüler in den 1960er-Jahren zu drehen?
Ich habe 1974 ähnliche Erfahrungen innerhalb eines autoritären Schulsystems gemacht. Damals war ich 13 Jahre alt, so alt wie Frits. Vieles, was in dem Film geschieht, basiert auf eigenen Erlebnissen; auch einige der Charaktere haben reale Vorbilder. Der Junge, dem man beinahe das Ohr abreißt, war ein Freund von mir. Und dieser Rektor, der sich als "Westentaschendiktator" aufspielt, die alltägliche Angst vor der Schule – all das habe ich selbst mitgemacht. Dabei war die Prügelstrafe bereits seit 1967 verboten. Als unser Schulleiter starb, haben wir Kinder vor Freude gejubelt. Nach seinem Tod änderte sich alles und es gab keinerlei Gewalt mehr an unserer Schule.
Warum haben Sie die Handlung auf das Jahr 1969 vorverlegt?
Das hatte dramaturgische Gründe. Die Endsechziger waren eine revolutionäre Zeit, die Weltsicht änderte sich radikal. Die Leute auf dem Land hatten aber noch immer die gleichen Kleider und kurzen Haare wie in den frühen 1960ern. Außerdem war Martin Luther King gerade ermordet worden - auch das war ein wichtiger Punkt für mich.
Wieso wird ein schwarzer Bürgerrechtler aus den USA zum Vorbild für einen weißen Jungen in Dänemark?
In der Schule lehrten sie uns damals stolz, dass Dänemark der erste Staat gewesen sei, der die Sklaverei abgeschafft habe, was eine historische Lüge ist. Schon als Kind erkannte ich wie absurd es war, einerseits den Wert der Freiheit zu predigen, aber andererseits uns Schulkinder wie Sklaven zu behandeln. Deswegen war aus meiner Sicht Martin Luther King das perfekte Idol für Frits. Der gewaltfreie Widerstand und die Überzeugung, dass sich die Wahrheit letztlich durchsetzen wird, sind das ideologische Fundament des Films. Ich selbst bin ein großer Bewunderer von King. Genau wie mein Vater.
Sie stammen aus einem liberalen Elternhaus?
Mein verstorbener Vater war ein einfacher Bauer, der nur kurz die Schule besucht hatte. Zugleich jedoch war er sehr gebildet. Er war eine Art lebendiges Geschichtsbuch und ein Geschichtenerzähler und hatte zugleich hohe Gerechtigkeitsideale. Er las viel über John F. Kennedy, Mahatma Gandhi, Martin Luther King, war gegen die Todesstrafe und ein großer Verfechter der Menschenrechte. In meinem Elternhaus wurde häufig über solche Themen diskutiert. Das hat mich geprägt.
Frits zeigt beeindruckende Zivilcourage und politisches Bewusstsein. Wie wichtig erachten Sie solche Qualitäten für Heranwachsende?
Enorm wichtig. Ich glaube eines der Hauptprobleme der heutigen Zeit ist, dass zu wenige Kinder einen Sinn für Geschichte haben, ein Gefühl dafür, was es bedeutet, für etwas kämpfen zu müssen. Sie nehmen vieles als selbstverständlich hin. Freiheit und Gerechtigkeit sind jedoch nichts, dessen man sich sicher sein kann. Sie sind nicht etwas, mit dem wir geboren werden, sondern beruhen auf einer Idee. Um eine humane Gesellschaft zu erhalten, müssen wir für diese Idee kämpfen. Und wer könnte das besser als die junge Generation? Deswegen ist es wichtig, Filme über die Werte, auf denen unsere Gesellschaft basiert, zu machen.
Ihr Film ist der erfolgreichste dänische Kinofilm der letzten eineinhalb Jahre. Wie war die Resonanz bei dem jungen Publikum?
Auf eine Art sehen sie den Film als historisch, als etwas, das mit der Generation ihrer Eltern geschah. Aber sie identifizieren sich auch sehr stark mit den Kindern im Film und damit, was es bedeutet, sich für die Gerechtigkeit einzusetzen. Wenn du etwas ändern willst, brauchst du Mut und du musst einen Preis dafür zahlen.
Seit der Handlungszeit des Films hat sich im Schulsystem vieles verändert. Wo sehen Sie zukünftige Herausforderungen?
Das Erziehungssystem ist viel zu normiert. Es sollte aber die Einzigartigkeit und Individualität eines jeden Schülers gefördert werden, je nach spezieller Begabung. Das, was die relativ wohlhabenden Gesellschaften hier in Europa in erster Linie im Bildungsbereich brauchen, sind Innovation und Kreativität.