Hintergrund
Das Phänomen des Internationalen Terrorismus
Mit dem Begriff des Terrorismus wird im Allgemeinen eine Form politisch motivierter Gewalt bezeichnet, die meist auf sozialen Konfliktkonstellationen beruht und von nicht-staatlichen Akteuren/innen getragen wird. Diese versuchen, durch den strategischen Einsatz medial wirksamer "Schockeffekte" bestehende politische Verhältnisse in ihrem Sinne zu verändern oder gar völlig außer Kraft zu setzen. Die Protagonisten/innen des Terrors verstehen sich dabei häufig als Freiheitskämpfer/innen. Da betroffene Regierungen dazu neigen, mit Verweis auf den Terror auch repressive Maßnahmen zu legitimieren, die ihrerseits mitunter als "Staatsterror" gedeutet werden können, ist der Begriff aufgrund komplexer "Stigmatisierungsfallen" und häufig kaum mehr überblickbarer Ursache-Wirkungs-Beziehungen äußerst umstritten.
Ursachen terroristischer Aktivitäten
Eine erhöhte Bereitschaft zu terroristischer Aktivität findet sich grundsätzlich dort, wo wegen tief greifender kultureller, ethnischer oder sozialer Integrationsprobleme entweder die entsprechenden politischen Mechanismen der Konfliktregelung fehlen oder bestehenden Regelungsformen schlichtweg die nötige soziale Akzeptanz verweigert wird. Vor diesem Hintergrund können gewaltbereite Akteure/innen erfolgreich kollektive Diskriminierungserfahrungen mobilisieren und sich netzwerkartig über eine Reihe recht undurchsichtiger und äußerst fragwürdiger Rekrutierungspraktiken ausbreiten. Indem sich der Terrorismus die Hoffnungen ausgegrenzter Bevölkerungskreise auf kulturelle Autonomie, institutionell gesicherte Freiheitsrechte und auf die gleichberechtigte Teilhabe am materiellen und kulturellen Fortschritt der betroffenen Gesellschaft zu Eigen macht, verschafft er sich einerseits eine Legitimationsbasis. Andererseits sind seine Grenzen zum organisierten Verbrechen durchlässig, da er infolge der Entscheidung, politische Forderungen mit Mitteln der Gewalt und der Masseneinschüchterung zu verfolgen, auf Kooperationsbeziehungen innerhalb eines funktionsfähigen illegalen Waffen- und Sprengstoffmarktes angewiesen ist. Dem durchaus berechtigten Anliegen auf soziale Anerkennung stehen daher immer massive Legitimationsprobleme auch innerhalb der eigenen Rekrutierungsbasis gegenüber. Diese können jedoch häufig über systematisch angelegte Indoktrinationen und die Ausbeutung von Naivität gezielt außer Kraft gesetzt werden.
Nationaler und Internationaler Terrorismus
Die für den Terrorismus relevanten Konfliktkonstellationen waren bis in die späten 1980er-Jahre weitgehend in einen nationalstaatlichen Kontext eingebettet. Dieser erreichte jedoch zunehmend eine internationale Dimension. Viele der bisher bekannten Terrororganisationen – wie etwa die Rote Armee Fraktion (RAF), die Partiya Karkerên Kurdistan (PKK), die baskische Euskadi Ta Askatasuna (ETA) oder die Irish Republican Army (IRA) – agier(t)en weitgehend innerhalb ihrer Heimatstaaten und wähl(t)en nahezu ausschließlich nationale Anschlagsziele, die in erster Linie eigene Staatsangehörige trafen. Allerdings machte sich bereits hier ein erster Trend in Richtung einer Internationalisierung des Terrorismus bemerkbar. So arbeiteten teilweise RAF-Mitglieder mit palästinensischen Terroristen/innen zusammen, wobei ihnen die kommunistische Rhetorik der internationalen Solidarität als Erklärungs- und Handlungsmodell diente. Meist reduzierte sich die Reichweite terroristischer Zusammenarbeit lediglich auf die Herstellung internationaler Aufmerksamkeit oder auf punktuelle logistische Unterstützungen in der Planung und Durchführung von Terroraktionen.
Islamistischer Terrorismus
Die unipolare Ordnung, die seit dem Ende des Ost-West-Konflikts die internationalen Beziehungen charakterisiert, hat jedoch einen Trend herbeigeführt, dessen internationale Dimension deutlicher zu Tage tritt und eine neue Stufe erreicht hat. Dies gilt besonders für den islamistischen Terrorismus, den die Al-Qaida prototypisch symbolisiert und der mit der Ausweitung des Heiligen Krieges ("Dschihad") auf die globale Ebene den Terror in seiner Erscheinungsform verändert hat. Dabei werden die zugrunde liegenden Konfliktkonstellationen nicht mehr nur auf nationalstaatlicher Ebene verortet. Dieser neue Terrorismus zieht seine Ressourcen vielmehr aus den machtpolitischen Verhältnissen des internationalen Systems. Er richtet sich gegen die "hegemoniale Macht" des "Westens" und seiner Verbündeten und zieht dabei die Konfliktlinien entlang einer radikalisierten religiösen Zugehörigkeit. Charakteristische Merkmale des islamistischen Terrorismus sind eine religiös-weltanschauliche Motivation, multinationale Mitgliedschaften, transnationale Netzwerkstrukturen und grenzüberschreitende Terroraktionen.
Zielsetzung und Methoden
Während der traditionelle Terrorismus trotz seiner Tendenz zur Internationalisierung letztlich immer Teil einer politischen Strategie geblieben ist, deren Zielsetzung sich auf die Veränderung einer bestehenden nationalen Ordnung bezieht, will der islamistische Terrorismus die regionale und internationale Ordnung verändern. Als Anschlagsziele dienen Symbole und "Instrumente" der "westlichen Vorherrschaft", wobei die Rekrutierung von Personal weder nationale noch regionale Schranken kennt und das destruktive und operative Potenzial bislang ungeahnte Ausmaße angenommen hat. Jeder Terrorakt ist Teil eines globalen Kampfes und soll entsprechend von den Medien wahrgenommen werden. Deswegen werden die "Schockeffekte" möglichst potenziert. Mit Geiselnahmen oder Videos von der Enthauptung von Geiseln (zum Beispiel des US-amerikanischen Journalisten Daniel Pearl 2002 in Karachi) soll beispielsweise weltweite mediale Aufmerksamkeit erreicht und ein permanentes Klima von Angst und Verunsicherung erzeugt werden. Nichts symbolisiert diese Strategie mehr als die verheerenden Anschläge des 11. Septembers 2001. In der westlichen Wahrnehmung handelt es sich dabei um ein "Superlativ ohne Präzedenz" und einem Sinnbild für eine "weltpolitische Zäsur" (Ulrich Schneckener). Dieser neuen Qualität des internationalen Terrorismus ist es auch zuzuschreiben, dass nicht nur von Terror, sondern immer mehr auch von "asymmetrischer Kriegsführung" gesprochen wird.
Konsequenzen und Ausblick
Während der Begriff des Krieges in den klassischen Konzepten auf mehr oder weniger geordnete Formen der zwischenstaatlichen Gewaltanwendung reserviert wurde, hat sich in jüngster Zeit die Grauzone politisch motivierter Gewalt zwischen Terror und Krieg erweitert. Der Terror ist zu einem Phänomen geworden, das sich durch nationalstaatliche Grenzen hindurch zieht, die Religion ideologisiert und kriegsähnliche Schäden anrichtet. Eine wesentliche Konsequenz des neuen Terrorismus sind seine Rückwirkungen auf die zivilgesellschaftlichen Strukturen des Westens. Dies macht sich vor allem in der rechtlichen Handhabung von Migration, der kulturellen Integration muslimischer Minderheiten und dem Bestand an bürgerlichen Rechten in den USA und Westeuropa bemerkbar. Die deutsche Bundesregierung hat etwa mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz vom Januar 2002 und mit der Errichtung des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums (GTAZ) im Dezember 2004 versucht, die Handlungsfähigkeiten verantwortlicher Sicherheitsorgane zu verbessern.
Betrachtet man die sicherheitspolitischen Diskussionen der letzten Jahre, so wird deutlich, dass Deutschland vorwiegend aus Gründen der außenpolitischen Neuausrichtung und der komplexen Migrationsdynamik zu dem weltweiten Gefahrenraum gezählt wird, der vom Terrorismus bedroht wird. Deutschland ist integraler Teil des Westens und engagiert sich als Verbündeter der USA zunehmend in internationalen Krisenregionen, wie etwa in Afghanistan. Neben dieser neuen militärischen Präsenz der Deutschen hat aber auch die lange Zeit vernachlässigte Integrationspolitik der Bundesregierung dazu beigetragen, dass unter der Bevölkerung mit Migrationshintergrund Gefühle sozialer Benachteiligung entstanden sind, die terroristisch instrumentalisiert werden können. Die "offene Gesellschaft" ist dabei nicht nur Ziel terroristischer Anschläge. Sie ist auch, wie im Falle Deutschlands sehr deutlich wird, zugleich ein Rekrutierungsfeld und ein geeigneter Rückzugsraum für terroristische Planungsarbeiten. In den öffentlichen Debatten werden daher oft problematische Zusammenhänge des Terrorismus zum Politikfeld Integration hergestellt, in denen bisweilen eine pauschale Abwertung des Islams zum Ausdruck kommt.
Autor/in: Taylan Yildiz M.A. (Lehrbeauftragter am Institut für Politikwissenschaft, Johannes Gutenberg-Universität Mainz), 04.09.2007
Der Text ist lizenziert nach der Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivs 2.0 Germany License.