Das Interview führte Holger Twele, Filmpublizist und Medienpädagoge.
Was hat Sie an der Thematik des Films interessiert?
Der Film beruht teilweise auf wirklichen Geschehnissen. Ähnliche Geschichten ereignen sich ständig auf der Welt, sie sind wichtig und eine davon wollte ich erzählen. Die Idee dazu kam allerdings nicht von mir: Die schwedische Drehbuchautorin Moni Nilsson-Brännström hatte meinen Film
Elling gesehen und wollte, dass ich bei
Hoppet die Regie übernehme.
Warum begeistert sich Ihr Protagonist Azad ausgerechnet für den Hochsprung?
Dieser Junge aus Kurdistan hat sich eine ausgefallene Sportart ausgesucht, noch dazu ist sein großes Vorbild eine Frau. Er möchte "fliegen" können wie Kajsa Bergqvist und verfolgt sein Ziel, ohne auf die Meinung anderer zu hören. Das gewinnt eine symbolische Dimension, die eine "normale" Sportart wie Fußball nicht bieten kann. Auch Kajsa Bergqvist fand die Idee gut. Sie war sehr offen bei den Dreharbeiten, auch wenn es für sie nicht einfach war, sich im Film selbst spielen zu müssen.
Warum wurde die reale Kurden-Problematik zugunsten von Azads Perspektive ausgeblendet?
Ganz einfach, weil es ein Kinderfilm ist. Er handelt nicht von politischen Ereignissen, sondern von Konflikten, die von Erwachsenen verursacht wurden und Kindern das Leben zur Hölle machen. Ich wollte nicht Partei für eine Seite ergreifen, weiß aber, dass das kurdische Volk viel Leid ertragen musste und es im Irak und der Osttürkei erst kürzlich wieder zu Aufständen kam. Mich hat vor allem interessiert, wie sich solche Geschehnisse auf das Leben von unschuldigen Menschen auswirken.
Lässt sich Hoppet als modernes Märchen bezeichnen?
Nicht ganz, denn was ich erzähle, kann wirklich passieren. Der Mensch hat die besondere Fähigkeit, selbst in hoffnungslos scheinenden Situationen noch Lösungswege zu finden. Das geschieht wirklich, nicht nur im Märchen. Bei Kindern vermischen sich allerdings häufig Märchen und Realität. Der von Peter Stormare gespielte Hot-Dog-Verkäufer beispielsweise ist eine solche Figur, die durch die Einbildungskraft der Kinder entsteht. Manchmal endet das gut, manchmal aber auch nicht. Ich finde es wichtig, Kindern Geschichten zu erzählen, die ihnen Hoffnung machen, selbst in ausweglos erscheinenden Situationen. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass sie nicht wahr sind.
Behandelt der Film ein schwieriges Thema für Kinder?
Jeder Mensch hat im Leben mindestens einmal das Gefühl, vollkommen verlassen zu sein. So etwas passiert Kindern beispielsweise, wenn sie beim Einkaufen ihre Eltern aus den Augen verloren haben und nicht wissen, wohin sie sich wenden sollen. In
Hoppet geht es um einen Helden, der sich alleine gegen die anderen behaupten muss. Der Konflikt ist klar, Azad fühlt sich isoliert und versucht, seine Eltern zu finden. Damit kann sich jedes Kind identifizieren, das konnte ich bei den Filmvorführungen immer wieder beobachten. Und Azad kämpft wirklich schwer um das, woran er glaubt. Er setzt seine Fähigkeiten im Hochsprung ein, um einen Ausweg aus seiner Lage zu finden.
Waren die Dreharbeiten mit Kindern schwieriger als mit Erwachsenen?
Nein! Bei Kindern funktioniert die Intuition noch viel besser, sie haben ein gutes Gespür, sind offen und wagemutig. Die älteren schützen sich mehr und trauen sich oft zu wenig zu. Kinder stellen andere Fragen und haben andere Bedürfnisse als die Erwachsenen, aber sonst gibt es keine Unterschiede bei der gemeinsamen Arbeit.
In ihrem Film wendet sich eine scheinbar ausweglose Situation zum Guten. Warum haben Sie diesen optimistischen Grundton gewählt?
Es gibt zwei Wege, das Publikum zu beeinflussen: Man kann Filme drehen, die zeigen, es existiert Hoffnung und vielleicht sogar eine Lösungsmöglichkeit wie bei
Hoppet. Es gibt aber auch Filme, die durch ein eher negatives Ende dazu anregen, Menschen anders zu behandeln. Beide Arten von Filmen sind gleichwertig – solche, die Hoffnung machen und solche, die zeigen, wie schlecht die Welt ist, und die uns auffordern, daran etwas zu ändern. Manche Menschen glauben, Tragödien und Dramen seien wichtiger, aber ich halte es mehr mit dem Humor und der Hoffnung.
Was ist das visuelle Grundkonzept ihres Films?
Eigentlich wollten wir die ganze Geschichte aus der Distanz erzählen, aus der Totale und mit Hilfe von Zoomaufnahmen, um zu vermitteln, wie sehr sich diese Menschen als Fremde fühlen. Aber das funktionierte gerade bei Kindern nicht, vor allem, weil sie nicht immer voll konzentriert sind und punktgenau ihren Einsatz finden. Statt sie also nur zu beobachten, näherten wir uns ihnen mit der Kamera und gaben ihnen das Gefühl, sich frei bewegen zu können. Unabhängig davon bestand die visuelle Grundidee darin, die sonnige Heimat voller warmer Farbtöne mit der schwedischen Fremde zu kontrastieren, in der kalte Farben und Blautöne vorherrschen.
Mit welchen Worten würden Sie Kindern Ihren Film empfehlen?
Ich würde sagen, es ist eine spannende Geschichte über zwei Kinder, die aus ihrer Heimat fliehen müssen, weil das Leben dort sehr gefährlich ist. Der Film folgt ihnen und zeigt, wie sie mit dem Leben in der Fremde zurechtkommen.