Interview
"Nicht jedes Tier ist für ein Leben vor der Kamera geschaffen."
Wenn Tiere in Filmen mitwirken, müssen sie vorher lange von Tiertrainer/innen auf diese Aufgabe vorbereitet werden. Katja Elsässer erzählt, wie sie mit Tieren arbeitet und was sie ihnen alles beibringen muss.
Katja Elsässer ist Filmtiertrainerin und lebt mit über 100 Tieren, darunter Hunde, Katzen, Schafe, Ziegen, Pferde, Kühe, Waschbären, Papageien und Reptilien auf einem Bauernhof in Niedersachsen. Ihre Tiere standen schon für zahlreiche Kino- und Fernsehfilme vor der Kamera, zum Beispiel für
Ostwind (Katja von Garnier, Deutschland 2013),
Der Medicus (Philipp Stölzl, Deutschland 2013) oder
Bibi und Tina (Detlev Buck, Deutschland 2014).
Frau Elsässer, was genau macht eine Filmtiertrainerin?
Eine Filmtiertrainerin bereitet die Tiere auf die Dreharbeiten vor und begleitet sie währenddessen. Nicht jedes Tier ist ein Naturtalent und für ein Leben vor der Kamera geschaffen. Deswegen holen wir die Tiere schon ganz früh in der Prägephase zu uns, ziehen sie auf und gewöhnen sie an verschiedene Situationen. Generell müssen wir schauen, dass wir mit unseren Tieren die Anforderungen der Drehbücher umsetzen können.
Sind Sie schon während des Drehbuchschreibens dabei?
Nein, wir kommen später an Bord. Wir gehen mit der Regieassistenz das Drehbuch durch und überlegen uns, wie wir alles umsetzen können. Ob wir mit einem oder mehreren echten Tieren oder einem Dummy arbeiten, welche Kunststücke wir noch extra antrainieren müssen. Deswegen ist die Grundaufzucht der Tiere unheimlich wichtig. Wenn die Tiere in der Jugend eine gute Ausbildung bekommen haben, lassen sich Tricks später besser aneignen.
Unterscheiden Sie dabei zwischen Tricks wie "Hund muss Schlüssel vom Tisch klauen" oder einer alltäglichen Situation, die der Hund spielen muss?
Natürlich. Die alltäglichen Situationen sind das, was in der Regel ins Grundrepertoire eines jeden Filmtieres gehört. Ein Hund muss etwa auf Befehl stehen bleiben, sich hinsetzen und wieder aufstehen können oder von A nach B laufen. Oft reicht das für Filme. Aber gerade was einfach aussieht, ist oft das Schwierigste: einfach nur im Bild stehen und nichts tun.
Wie bringen Sie das den Hunden bei?
Für den Befehl "Stehen bleiben!" übe ich mit dem Hund das Anhalten immer und immer wieder. Am Anfang nur für ein paar Sekunden, die Zeitabstände werden dann immer größer. Nach jedem Lernschritt brauchen die Tiere eine positive Bestätigung. Ich als Trainerin gehe dabei auch immer weiter vom Tier weg. Denn der Befehl muss ja auch über eine bestimmte Entfernung funktionieren. Wenn die Kamera läuft kann ich ja nicht neben dem Tier stehen bleiben.
Lässt sich das Wissen bei den Tieren abrufen oder müssen sie ständig trainiert werden?
Die Grundausbildung haben die Tiere verinnerlicht. Einen Esel kann ich zum Beispiel monatelang auf die Weide stellen, wenn ich mit ihm zum Set komme, schaltet er um und läuft bei Fuß. Wenn ich ihm dann Befehle wie Kopf schütteln oder mit den Hufen scharren gebe, macht er es. Aber natürlich gilt hier auch: Je sicherer ein Filmtier sein soll, desto häufiger muss ich mit ihm trainieren. In der Grundausbildung kann das zwischen drei bis fünf Mal die Woche sein. Allerdings immer nur für zehn Minuten, da die Konzentrationsphase von Tieren nicht so lang ist.
Woran erkennen Sie einen guten Filmhund?
Ein guter Filmhund muss sich präsentieren können. In der Ausbildung integriere ich das Tier in mein ganz normales Familienleben. Hier kann ich im Alltag immer wieder Dinge einbauen wie "Pfötchen heben". Apportiert er gerne, lasse ich ihn Sachen holen. Ich gebe ihm Befehle wie "Hol die Socke!" oder "Hol den Schuh!". Solche Tricks unterlegt man am besten immer direkt mit einem Kommando.
Ist es schwierig, den Hund dann zusätzlich an eine Kamera zu gewöhnen?
Das ist den Tieren fast egal. Vorausgesetzt man hat ein Tier, dem der Trubel am Set nichts ausmacht. Die Kamera ist dann im Endeffekt zweitrangig. Es ist nur wichtig, dass der Trainer ganz klare Kommandos gibt, dass der Hund lernt, was Arbeit ist und was nicht.
Gibt es Tiere, die überhaupt nicht für die Arbeit vor der Kamera geeignet sind?
Einige Geflügeltiere sind so ängstlich, dass es überhaupt keinen Sinn und vor allem keinen Spaß macht, sie zu trainieren. Bei ängstlichen Tieren, wie zum Beispiel dem Fuchs oder einem Reh braucht man Ausnahmetiere, die funktionieren. Nach denen muss man dann ganz explizit suchen.
Wie wichtig ist das Vertrauensverhältnis zwischen Schauspieler und Tier?
Wenn das Tier gut trainiert und die Beziehung zum Trainer perfekt ist, dann ist der Schauspieler fast zweitrangig. Problematisch wird es nur, wenn der Schauspieler das Tier nicht mag. Dann hat man als Tiertrainer relativ schlechte Karten. Das passiert leider auch.
Ist die Arbeit vor der Kamera für die Tiere stressig?
Selbstverständlich ist es Stress, denn es ist ja auch Arbeit. Aber ich als Mensch brauche ebenfalls einen gewissen Stress. Wenn ich nur zu Hause sitze und nichts tue, kriege ich Depressionen. Ich benötige Stress im Alltag, um mich wieder entspannen zu können. Genauso ist es bei den Tieren. Solange der Stress positiv ist, ist er vollkommen in Ordnung. Damit lebt das Tier besser als mit ständiger Langeweile.
Autor/in: Anna Wollner, freie Filmjournalistin in Berlin, 11.12.2013
Der Text ist lizenziert nach der Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivs 3.0 Germany License.