Sklaverei und Diskriminierung
Die Geschichte der Schwarzen in den USA
Zwölf Jahre nach Gründung der ersten britischen Kolonie in Nordamerika, 1619 wurden die afrikanischen Kriegsgefangenen von holländischen Siedlern als Sklaven verkauft. Vorbild war die in Mittel- und Südamerika verbreitete spanische Praxis der Sklavenhaltung. Ideologische Rechtfertigung boten das Menschenbild der europäischen FeudaIgesellschaften, das von einer standesbedingt unterschiedlichen Wertigkeit des Menschen ausging, sowie das christliche und eurozentristische Überlegenheitsgefühl gegenüber 'Heiden' und 'Wilden', das zuvor bereits die amerikanischen Ureinwohner zu spüren bekamen. Um 1690 gab es in allen englischen Kolonien Sklaven, die auf Schiffen nach Amerika gebracht und in öffentlichen Versteigerungen an den Meistbietenden verkauft wurden. Schätzungen zufolge, die sich auf Logbücher von Sklavenschiffen und Unterlagen der Londoner Lloyd's-Versicherung stützen, überlebte nur jeder fünfte Afrikaner diesen Transport. Die ökonomischen Motive für die Sklavenarbeit lagen in dem Gegensatz von niedrigen Bodenpreisen und teurer Arbeitskraft. In den klimatisch bevorzugten Südstaaten war der arbeitsintensive Anbau von Baumwolle, Reis, Tabak und lndigo nur unter Einsatz von Sklaven möglich. Der Norden profitierte davon ebenfalls, indem er zwischen den nördlichen Kolonien, den karibischen Zuckerrohrinseln, Westafrika und England einen gewinnträchtigen Handel betrieb, der neben Werkzeugen, Tabak, Zuckerrohr und Melasse auch Sklaven umfasste. In der amerikanischen Verfassung von 1787 wurde die Sklavenhaltung indirekt akzeptiert. Bis zu seinem Verbot durch den Kongress im Jahre 1808 war der Sklavenimport rechtlich garantiert. Die politische, wirtschaftliche und ideologische Polarisierung zwischen "Sklavenstaaten" und freien Staaten verschärfte sich in den folgenden Jahrzehnten. Versuche wie der Missouri-Kompromiss von 1820, die politische Machtbalance zwischen beiden Lagern zu wahren, scheiterten mit dem Kansa-Nebraska-Act von 1854, der den Einzelstaaten die Souveränität verlieh, über ihren Status selbst zu entscheiden.
Seit Beginn des 19. Jahrhunderts nahmen Organisationen, die sich für die Abschaffung der Sklaverei engagierten, zunehmenden Einfluss auf die Politik. Durch Landkauf im späteren Liberia ermutigte beispielsweise die "American Colonization Society" zwischen 1822 und 1860 15000 Afroamerikaner zur Rückkehr nach Afrika. Die Abolitionisten und die aus dieser Bewegung hervorgegangene "American Anti-Slavery Society" gewannen über Zeitungen und die Partei der Republikaner Einfluss. Einer ihrer herausragenden Vertreter war der geflohene Sklave Frederick Douglass, der seit 1847 in Massachusetts die Zeitung "The North Star" herausgab und später schwarze Soldaten für die Nordstaaten-Armee rekrutierte. Präsident Lincolns Proklamation zur offiziellen Abschaffung der Sklaverei (1863) erlangte erst nach Beendigung des Sezessionskrieges (1861-65) im 13. Ergänzungsartikel der Verfassung Rechtskraft. Trotzdem blieb der schwarzen Bevölkerung des Südens bis weit ins 20. Jahrhundert die gleichberechtigte Partizipation am öffentlichen, politischen und wirtschaftlichen Leben versagt. Die folgende Politik der Segregation basierte auf der Doktrin "separate but equal" und machte die schwarze Bevölkerung politisch mundtot.
Erst die Bürgerrechtsbewegung mit ihren Aktionen des passiven Widerstandes – beispielsweise der einjährige Bus-Boykott in Montgomerey, Alabama (1955), die Freiheitsfahrten studentischer Bürgerrechtler (1961) und schließlich der Marsch auf Washington (1963) – rückte die fortdauernde Diskriminierung der schwarzen Bevölkerung ins amerikanische und internationale Bewusstsein. Die Verabschiedung des Civil Rights Act (1964) durch den Kongress brachte ein generelles Diskriminierungsverbot in allen öffentlichen Bereichen, das aber nur sehr schleppend umgesetzt wurde, was in den 60er Jahren zu blutigen Rassenunruhen führte. Auch die Unruhen 1992 in Los Angeles belegen, dass die Diskriminierung der schwarzen Minorität bis heute fortdauert und ihre soziale Brisanz behalten hat.
Literaturhinweise:
Claude Meillassoux: Anthropologie der Sklaverei. Campus Verlag, Frankfurt am Main, 1989
Toni Morrison: Menschenkind. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, 1994
Autor/in: Margarete Hässel (punctum, Bonn), 12.12.2006