Bienen-Metaphorik ...
In John Avnets Film Grüne Tomaten holt Idgie, die starke, mutige, mutmachende Frau, eine Honigwabe mitten aus einem Schwarm wilder Bienen heraus, ohne dass sie gestochen wird. Das ist ein mythisches Bild. Von nun an begreifen die Zuschauer Idgie im Unterbewusstsein als poetische Figur. Unser Poesie-Begriff hat etwas mit Goethes Werther zu tun, mit Hölderlins Hyperion, mit den Romantikern. Sie alle flüchteten in die Natur, weil die gesellschaftlichen Verhältnisse eng und unerträglich waren. Da Idgie nicht verletzt wird, scheint in ihr die Trennung zwischen Natur und Vergesellschaftung aufgehoben (und tatsächlich ist sie in der rassistischen Gesellschaft des amerikanischen Südens eine Fremde). Man kann sie mit uralten Naturgöttinnen in Verbindung bringen. Auf der berühmten Statue der Kybele von Ephesos ist schon das Bienenmotiv zu finden – Symbol für Fruchtbarkeit, aber auch für Todesnähe.
In der christlichen Metaphorik spielt die Biene ihre Rolle als Beispiel für den tugendhaften und fleißigen Lebenswandel und wieder für den Tod. Es scheint, als habe Theo Angelopoulos für seinen Abschiedsfilm Der Bienenzüchter Spiros' Beruf(ung) aus dieser Tradition gewählt: der alte Mann auf seiner letzten Reise der Route der Blüten nach. Auch hier erscheint die soziale Welt eng und unerträglich. Spiros lässt sich den Tod durch die Bienen geben. Allerdings gibt er sich den Bienen hin, und sie erscheinen nicht wie in den Horrorfilmen Der Schwarm oder Operation Todesstachel als todbringende Entartung der Natur. Die Typologie des Bienenzüchters im Film entwirft offensichtlich stets positive Gegenbilder zu den realen Verhältnissen der Welt. Ulee's Gold setzt diese Linie ohne Brüche fort.