Der Fernfahrer Don Pedro transportiert für eine österreichische Spedition Knoblauch aus der Ukraine nach Marokko und lässt ihn dort zur spanischen Ware umetikettieren. Seine Fracht für den Rückweg ist weitaus brisanter: Auf einer abgetrennten Ladefläche drängen sich afrikanische Flüchtlinge. Als die Ghanaerin Jackie und ihr fünfjähriger Sohn sich für ihre teuer bezahlte Passage nach Genf nicht aus der Fahrerkabine vertreiben lassen, beginnen für Don Pedro die Probleme. Angetan von der attraktiven Frau, versucht er nicht nur Polizisten und Zöllner auszutricksen, sondern auch seine Geschäftspartner und ein Mitglied von
Ärzte ohne Grenzen.
Nach seinen ökologie- und globalisierungskritischen Dokumentationen
We Feed the World – Essen global (We Feed the World, Österreich 2005) und
Let's Make Money (Österreich 2008) gibt Erwin Wagenhofer mit
Black Brown White sein Spielfilmdebüt. Der Mix aus Road Movie, Western und Liebesgeschichte vermittelt mit klaren Bildern außereuropäische Wirklichkeit und jene Missstände, die den Traum von Europa parodieren: die bereits aus Wagenhofers
Dokumentarfilmen bekannten, zu Spekulationszwecken errichteten und nun leer stehenden Wohnsiedlungen in Spanien, kilometerlange Gewächshäuser in Andalusien und die Notunterkünfte der dort illegal beschäftigten Afrikaner/innen. Letztere wurden heimlich gefilmt. Im Kontrast dazu stehen
Landschaftspanoramen in
Cinemascope. Einmal fokussiert die Kamera den fahrenden Don Pedro von außen. Man sieht seinen Kopf, umgeben von sich in der Windschutzscheibe spiegelnden Wolken, was ihm etwas Numinoses verleiht und signalisiert: Dieser moderne Cowboy hat eigene Vorstellungen von Recht und Gesetz.
Don Pedro hat anfangs keine Skrupel, Flüchtlinge nach Europa zu schmuggeln. Versteckt in seinem LKW, bleiben sie für ihn unsichtbar. Erst durch Jackie erfolgt die direkte Konfrontation. Die Wandlung Don Pedros vom Schlepper zum empathischen Fluchthelfer, der erkennt, dass humanes Handeln in einem zum Teil dysfunktional gewordenen Kapitalismus schnell scheitern kann, lohnt eine Erörterung in den Fächern Gesellschaftskunde, Politik und Ethik.
Black Brown White zeigt auch, worauf der Wohlstand Europas fußt und streift Probleme wie die Ausbeutung illegaler Arbeiter/innen, die globalisierte Nahrungsmittelindustrie und die Spekulationen am Immobilienmarkt. Auch für filmsprachliche Betrachtungen bietet sich Wagenhofers narrativer und formaler Spagat zwischen
Dokumentation und Fiktion an.
Autor/in: Cristina Moles Kaupp, 03.11.2011
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