Der palästinensische Fischer Jafaar weiß nicht mehr, wovon er leben soll. Das begrenzte Fanggebiet vor der Küste Gazas ist leergefischt und andere Möglichkeiten Geld zu verdienen gibt es kaum. Eines Tages zieht Jafaar ein lebendiges Schwein aus dem Meer und wittert seine Chance. Zwar kann er als Moslem mit dem "unreinen" Tier nichts anfangen und muss es sogar verstecken, aber ihm kommt zu Ohren, dass die Israelis gleich hinter dem Grenzzaun Schweine halten. Tatsächlich gelingt es ihm, einen heimlichen Deal mit der russisch-jüdischen Siedlerin Yelena zu schließen, die für ihre Zucht Schweinesperma benötigt. Doch aus Unwissenheit begeht Jafaar Verrat an seinem Volk und muss Ausreden erfinden, um seine Haut zu retten. Der Schuss geht nach hinten los und es bleibt nur die Flucht in ein friedlicheres Land.
In seinem Debütfilm reflektiert Sylvain Estibal den Nahost-Konflikt mit den Mitteln der Komödie. Der Protagonist Jafaar fungiert als sympathischer Trottel, an dessen Beispiel die harten sowie die absurden Facetten des Alltags eines "kleinen Mannes" im Gazastreifen durchdekliniert werden. In den von Slapstick, Situationskomik und Gesprächswitz geprägten Szenen schwingt angesichts des ernsten politischen Hintergrundes stets eine tragische Dimension mit. Der Humor wirkt allerdings - auf eine versöhnliche Weise - immer auch entlarvend. Wenn Schweine überall Socken tragen müssen, um den heiligen Boden nicht zu beschmutzen, können ethnische, religiöse und kulturelle Unterschiede nicht so groß sein, wie sie scheinen. Entsprechend dieser Botschaft nimmt der Film alle Gruppen - Palästinenser, Israelis, die Mitarbeiter internationaler Organisationen - gleichermaßen auf die Schippe.
Das Schwein von Gaza bietet die Möglichkeit, sich dem Nahost-Konflikt von der humorvollen Seite zu nähern und das Potenzial von Komik als Vermittler von komplexen Sachverhalten bzw. als Mittler zwischen Konfliktparteien zu entdecken. Die Geschichte des Gazastreifens und die aktuelle Situation vor Ort sollten jedoch schon vor der Sichtung bekannt sein, damit sich vor allem die Witze in den Dialogen des Films erschließen, die ohne Vorwissen nur schwer zu verstehen sind. Am Beispiel von Szenen, die Schüler/innen lustig finden, kann anschließend analysiert werden, auf welche politischen oder religiösen Fakten die komischen Pointen zurückzuführen sind. Mit welchen Aspekten des Nahost-Konflikts setzt sich der Film auf diese Weise kritisch auseinander und was erzielt er damit? Auch Diskussionen darüber, inwiefern Komik bei diesem Thema überhaupt angebracht ist, oder ob man etwa über Selbstmordattentäter lachen darf, fördern den differenzierten Umgang mit politischem, religiösem und ethnischem Humor im Allgemeinen.
Dieser Text ist eine Übernahme des VISION KINO-FilmTipps.
Autor/in: Marguerite Seidel, 27.06.2012, Vision Kino 2012.